Singularität
Vergütungen
dafür.«
»Beschreiben Sie die.« An diesem Punkt stellte Martin
sein noch nicht leeres Glas ab.
»Mein Geldgeber ist bereit, Sie wirklich sehr gut zu
bezahlen. Und ein Teil der Bezahlung besteht darin, dass wir Ihnen
den Weg ebnen können, wenn Sie sich für
lebensverlängernde Maßnahmen und kontinuierliches
Aufenthaltsrecht bewerben.« Die lebensverlängernde
Technologie, die tatsächlich eine unbegrenzte Lebenserwartung
über hundertsechzig Jahre hinaus gewährleistete, war
außergewöhnlich leicht zu handhaben und stand auf den
meisten entwickelten Welten zur Verfügung. Allerdings wurde sie
so streng kontrolliert, wie man medizinische Maßnahmen nur
kontrollieren kann. Die Kontrollen und Genehmigungsverfahren waren
ein Überbleibsel aus der Zeit der Bevölkerungsexplosion
– der kurzen Phase im einundzwanzigsten Jahrhundert, als die
Bevölkerung der Erde die Zehn-Milliarden-Grenze
überschritten hatte. Das war vor der Singularität gewesen,
als das Eschaton aus eigener Kraft mehr als rein menschliche
Intelligenz entwickelt und prompt die Regeln umgeschrieben hatte.
Immer noch verunstalteten die Nachwirkungen der
Überbevölkerung den Planeten, und die Antwort darauf war
eine eiserne Regel: Wenn man über die natürliche Spanne
hinaus leben wollte, musste man entweder besondere Meriten
nachweisen, irgendeinen Grund, der für einen weiteren Verbleib
auf der Erde sprach, oder nach der Behandlung auswandern. Es gab nur
wenige Regeln, an die sich alle zersplitterten Volksstämme,
Gesellschaften und Wirtschaftsunternehmen hielten, doch aufgrund des
gemeinsamen Interesses zählte diese dazu. Und wenn einem durch
die heimliche Einmischung des Eschaton eine Ausnahmeregelung
angeboten wurde…
»Wie lange darf ich darüber nachdenken?«, fragte
Martin.
»Bis morgen.« Der Mann in Grau konsultierte sein
Notebook. »Das Grundhonorar beträgt zehntausend pro Jahr.
Und zehntausend oder mehr erhalten Sie als Bonus, wenn Ihnen ein
bestimmter Auftrag erteilt wird. Außerdem sichern wir Ihnen
eine unbegrenzt gültige Ausnahmegenehmigung vom Ausschuss
für Bevölkerungsplanung zu. Darüber hinaus werden Sie
dazu beitragen, die gesamte Menschheit vor den Handlungen einiger
Artgenossen zu beschützen, die eher zur zügellosen Sorte
– um nicht zur dummen Sorte zu sagen – gehören.
Möchten Sie noch etwas trinken?«
»Also gut«, sagte Martin. Sie wollen mich bezahlen?
Für etwas, das ich auch aus freien Stücken tun würde? Er stand auf. »Ich brauche keinen weiteren Tag, um
darüber nachzudenken. Sie können auf mich
zählen.«
Der Mann in Grau grinste ohne jede Spur von Humor. »Man hat
mir schon gesagt, dass Sie sich so entscheiden würden.«
Die Führungsmannschaft war in voller Alarmbereitschaft. Kein
Kopf drehte sich, als die Tür aufging und Kapitän Mirsky
hereinkam, gefolgt von Geschwaderführer Bauer und seinem Stab.
»Kommandeur Murametz, bitte berichten Sie.«
»Ja, Sir. Zeit bis zum Sprung und Übergang
drei-null-null Sekunden. Ortsbestimmung bestätigt, Signale
betriebsbereit. Alle Systeme laufen in angemessener Vorbereitung zur
Realisierung von Plan C. Wir können jederzeit unsere Posten
einnehmen, wenn Sie es anordnen, Sir.«
Mirsky nickte. »Mein Herren, so ausführen wie
befohlen.« Der Geschwaderführer nickte und wies seinen
Adjutanten leise an, Notizen zu machen. Irgendwo auf dem Schiff
schrillten Sirenen los. Das Getrappel von Besatzungsmitgliedern, die
zu ihren Posten eilten, drang nicht durch die Schotts, dennoch machte
sich die angespannte Atmosphäre bemerkbar. An den verschiedenen
Arbeitsplätzen im Raum wurde leise geredet: Die Offiziere
sprachen die taktischen Schritte durch.
»Sprungbereit in zwei-null-null Sekunden«, meldete die
Abteilung Relativität.
Rachel Mansour – sie trug ihre Uniform, die einer
Waffeninspektorin der Abrüstungsbehörde – saß
unbequem nahe an einer Wand, blickte über die Schulter eines
Maats und musterte ein überladenes Instrumentenbord.
Messinghebel und barock anmutende rote LEDs funkelten ihr entgegen;
auf einem Isolierschalter war der Kopf eines Hundes, der lautlos zu
bellen schien, in das Zinn geritzt. Irgendjemand musste ein halbes
Leben damit verbracht haben, die Gravuren so lange zu polieren, bis
sie wie Butter glänzten. Rachel kam es wie bittere Ironie vor,
derartige Kunst an einem Kriegsschauplatz vorzuführen. Ihr war
die Situation überaus widerwärtig. Und dass sie dabei etwas
entdeckt hatte, das auch nur entfernt an Schönheit
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