Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Singularität

Singularität

Titel: Singularität Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
Vom Netzwerk:
Offiziere wohl reagieren würden, wenn sie
tatsächlich die Anschuldigung erhob, dass sie den ganzen Prozess
als Farce inszeniert hatten. Entweder würden sie einen
Rückzieher machen oder…
    »Genau das habe ich.« Der Politische Offizier in
der Mitte, der mit dem scharf geschnittenen Gesicht, zog eine
grässliche Grimasse. »Sie sollten doch wissen, wem er
Informationen hat zukommen lassen.« Er deutete direkt auf sie. Jetzt kommt’s, dachte sie. Lautlos artikulierte sie den
nächsten Befehl: »Gepäck. Für alle Fälle
bereithalten!«
    »Rettungsboot fertig und startbereit. Treibstoff
aufgetankt, subkritisch und einsatzbereit. Zusätzliche
Reaktionsmasse geladen. Sauerstoffvorrat wie angeordnet. Warnung:
Delta-Geschwindigkeit zur vorgesehenen Zwischenstation New Peterstown
gegenwärtig bei sechsundachtzig K.p.S. geplant, kann sich noch
verringern. Höchste Manövriergeschwindigkeit bei neunzig
K.p.S.«
    Sie kam zu dem Schluss, dass das ausreichen würde. Die
Salzwasserrakete war fast so leistungsfähig wie eine altmodische
Fusionsrakete; zu Hause hätte sie leicht die Strecke von der
Erdoberfläche bis zum Mars und zurück bewältigen
können. In diesem Fall würde sie allerdings an die Grenze
ihrer Leistungsfähigkeit stoßen. Ohne aufzutanken
würden sie es nicht bis zur Umlaufbahn schaffen. Aber es
würde schon gehen, solange…
    »… Ich schließe daraus, dass Sie sich mutig damit
einverstanden erklärt haben, Ihre diplomatische Immunität
aufzugeben. Und zwar deshalb, weil sie Ihren Spion vor der Schlinge
des Henkers zu retten versuchen.«
    Sie schluckte, blickte wieder zu Martin hinüber und blinzelte
zweimal, das Zeichen für »halte die Luft an«.
    »Gepäck: Start vorbereiten. Erwarte Ankunft der
Besatzung in hundert Sekunden. Start erst zwanzig Sekunden nach
Ankunft der Besatzung.« Im Vergleich zu den gigantischen
Kriegsschiffen der Neuen Republik war ihr Rettungsboot nur eine
Nussschale. Sobald sie hier die Brücken hinter sich abbrachen
und über Bord gingen, konnte sie nur noch darum beten, dass es
die Offiziere auf der Kommandobrücke nicht wagen würden,
Radar einzuschalten, um sie zu suchen und zu töten. Immerhin
würden sie damit ja riskieren, das Festival vorzuwarnen.
    Während sie tief Luft holte und sich anspannte, wandte sie
ihre Aufmerksamkeit wieder den Offizieren zu. »Also führen
Sie dieses ganze Schmierentheater nur deshalb auf, weil es Ihnen
darum geht, meine diplomatische Immunität aufzuheben? Ich bin
beeindruckt. Ich habe wirklich nicht angenommen, dass Sie
dermaßen dumm sind – Utah!«
    Sie duckte sich. Das letzte Wort kam als Schrei heraus, den ihr
Kehlkopfmikro den Drohnen übermittelte. Ein gleichzeitiges
Knacken verriet ihr, dass die Sprengladungen, die das Gitterraster
der Entlüftungsanlage aufbrechen sollten, explodiert waren. Mit
einem Ruck zerrte sie sich die transparente Atemmaske über das
Gesicht, zog sie fest zu und schaltete ihren mobilen Signalgeber ein,
auf den die Drohnen eingestellt waren.
    Durch die Löcher in der Decke schwärmten sie herein.
Spinnen, Krebse und Skorpione, alle aus Kohlenstoffpolymeren
hergestellt – eigentlich recycelter Klärschlamm –, und
versprühten quer durch den Raum klebrigen Schaum, wie er
manchmal im Nahkampf zur vorübergehenden Lähmung des
Gegners eingesetzt wird. Wo sie auf Widerstand stießen, setzten
sie betäubende Dämpfe aus Trichloromethan frei. Als ein
Rekrut einen Schritt in ihre Richtung machte, übernahmen ihre
Kampfimplantate die Kontrolle. Er ging wie ein nasser Sack zu Boden,
ehe sie ihn überhaupt bewusst wahrgenommen hatte,
niedergestreckt vom Genickschlag einer übermenschlich schnellen
Faust. Alles verengte sich zu dem Abstand zwischen ihr selbst und
Martin, der mit weit aufgerissenen Augen hinter einem Tisch stand und
die Arme halb zu ihr hoch streckte, während ein Rekrut ihn schon
zur Tür lenkte.
    Rachel ging zu Kampfgeschwindigkeit über und ließ ihr
rein menschliches Nervensystem dabei außen vor. Die Implantate
steuerten alles.
    Die Zeit dehnte sich, das Licht wurde schwächer. Während
sich die Ketten der Schwerkraft für sie lockerten, wurde die
Luft dick und zähflüssig. Überall wirbelten
Marionetten wie in Zeitlupe herum, als sie über einen Tisch
sprang und zu Martin rannte. Sein Wächter wandte sich zu ihr um
und warf einen Arm hoch, den sie packte und verdrehte. Sie merkte,
wie er aus dem Gelenk sprang. Dem anderen Wächter versetzte sie
mit der linken Hand einen energischen Faustschlag.

Weitere Kostenlose Bücher