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Singularität

Singularität

Titel: Singularität Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
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tun
haben?«
    »Nein«, gab er barsch zurück und starrte bewusst
auf sein Notebook. Anfangs war ihm gar nicht aufgefallen, wie dreist
sie war, zumindest für eine Frau ihrer sozialen Schicht, aber
allmählich ging sie ihm auf die Nerven und brachte seine
Alarmglocken zum Klingeln. Irgendetwas an ihr kam ihm seltsam vor.
Ein Agent provocateur?, fragte er sich. Er hatte nicht die Absicht,
der Geheimpolizei noch weitere Vorwände dafür zu liefern,
ihn einzulochen; im Gegenteil wollte er den Leuten den Eindruck
vermitteln, er habe aus seinen Fehlern gelernt und beschlossen, sich
zu bessern.
    »Hm. Aber als ich hereinkam, haben Sie gerade eine Abhandlung
über Algorithmen gelesen, die relativistische Zeitabweichungen
korrigieren können, und zwar bezog es sich speziell auf die
Konstruktion moderner Antriebskompensatoren bei Raumschiffen. Also
sind Sie irgendeine Art von Ingenieur, den die Admiralität mit
Wartungsarbeiten auf den Flottenschiffen beauftragt hat.« Ihr
breites Grinsen, bei dem der rote Mund die weißen Zähne
enthüllte, fand er beunruhigend: Etwas an ihrer Art erinnerte
ihn an zu Hause, wo die Frauen mehr als wohl gezüchtete
Zierblüten am Familienstammbaum darstellten.
»Stimmt’s?«
    »Darauf kann ich unmöglich antworten.« Martin
klappte sein Notebook wieder zu und starrte sie finster an. »Wer
sind Sie, und was, zum Teufel, wollen Sie von mir?« Die soziale
Programmierung, der er sich während seiner Reise zur Neuen
Republik unterzogen hatte, verbot solche Grobheiten gegenüber
einer Dame, aber offensichtlich war sie ebenso wenig eine Dame wie er
ein Freisasse der Neuen Republik. Sollte die gesellschaftliche
Etikette doch der Teufel holen.
    »Ich heiße Rachel Mansour und fahre zu den
Marinewerften. Was ich dort zu tun habe, mag sich durchaus mit Ihren
eigenen Aufgaben überschneiden. Wenn ich mich nicht irre –
falls doch, möchte ich mich mit dem Ausdruck tiefsten Bedauerns
bei Ihnen entschuldigen –, sind Sie Martin Springfield,
selbstständig und durch Vertrag von der Admiralität der
Neuen Republik dazu engagiert, Verbesserungen am Schaltkreis der
Antriebssteuerung eines Schlachtkreuzers der Svejk-Klasse vorzunehmen
und zu installieren. Es handelt sich dabei um den Schlachtkreuzer Lord Vanek, so benannt nach Lord Ernst Vanek, der die Marine
der Neuen Republik begründete. Stimmt’s?«
    Martin steckte das Notebook wieder in die Tasche seines Jacketts
und sah aus dem Fenster, wobei er versuchte, mit einem
plötzlichen Anflug eiskalter Furcht fertig zu werden. »Ja,
aber was geht Sie das an?«
    »Es mag Sie interessieren, dass vor vier Stunden –
allgemeine Standardzeit – die Luftwaffe Neuen Typs, bei der Sie
versichert sind, die Eschaton-Klausel für alle langfristigen
Garantien in Kraft gesetzt hat, sofern sie sich auf die Neue Republik
beziehen. Gleichzeitig hat jemand dem Ständigen Ausschuss der
Vereinten Nationen, der für Multilaterale Interstellare
Waffensperrverträge zuständig ist, gesteckt, dass sich die
Neue Republik auf einen Krieg vorbereitet. Sie rüstet auf, um
eine belagerte Außenkolonie zu verteidigen. Sie zahlen doch
nicht etwa die zusätzliche Gebühr, die Sie gegen Fälle
höherer Gewalt versichert? Das heißt also, dass Sie
derzeit nur noch in Fällen von Krankheit oder Diebstahl
geschützt sind.«
    Martin wandte sich ihr zu. »Beschuldigen Sie mich etwa der
Spionage?« Er sah ihr direkt in die Augen, die dunkel,
intelligent und reserviert wirkten – und nichts preisgaben.
»Wer, zum Teufel, sind Sie überhaupt?«
    Sie schüttelte eine Visitenkarte aus dem Ärmel und
klappte sie so auf, dass er sie lesen konnte. Ein Kopf, eindeutig
ihrer, aber mit kurz geschnittenem Haar, war über der Schrift
als winzige Holografie vor vertrautem Hintergrund zu erkennen. Das
kam so gänzlich unerwartet, dass er wie elektrisiert war:
Schauer rasten an seiner Wirbelsäule entlang, während seine
Implantate eine vom Adrenalin ausgelöste instinktive
Panikreaktion zu dämpfen versuchten.
    »Nachrichtendienst des Diplomatischen Korps der Vereinten
Nationen, Sondereinsatzgruppe. Ich bin hier, um die gegenwärtige
Lage auszukundschaften. Und das schließt ein herauszufinden,
welche kurzfristigen Änderungen die Admiralität derzeit bei
den Raumschiffen veranlasst, die das Expeditionskorps befördern
sollen. Sie werden doch kooperieren, nicht wahr?« Wieder
lächelte sie, diesmal noch beunruhigender. Ihre Miene erinnerte
Martin an ein hungriges Frettchen.
    »Mhm.« Was, zum Teufel, tat

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