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Singularität

Singularität

Titel: Singularität Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
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Tausend Qualen sollen diejenigen erleiden, die den
Kaiser verunglimpfen! Wo sind die Mistkerle? Lass mich auf sie
los!« Das Scheppern im Hintergrund mochte daher rühren,
dass er seine Gehhilfe von sich geschleudert hatte.
    Herzog Michael sah seinen Bruder mit unglücklich verzogenem
Gesicht an. »Nun ja, ich nehme an, eine Frage ist damit
geklärt«, sagte er fast unhörbar. »Ich werde mir
die Bemerkung verkneifen, dass ich es dir prophezeit habe, aber wen
schicken wir mit, um seinen Rollstuhl zu schieben?«
     
    Neu-Prag lag nur tausend Kilometer nördlich des
Äquators. Für einen terrageformten Planeten mit
Wassergürtel war es hier auffällig kalt. Kurz nach Mittag
lief der Zug im Bahnhof von Klamowka ein. Nachdem Martin ausgestiegen
war, rief er sich ein Taxi, das ihn zur Marinebasis am Fuß des
Raumhafens bringen sollte. Rachel – oder wie sie in Wirklichkeit
heißen mochte – schenkte er bewusst keine Beachtung.
Sollte sie doch selbst sehen, wie sie weiterkam. In seinem Leben
stellte sie derzeit nichts als eine unangenehme, möglicherweise
sogar verhängnisvolle Komplikation dar.
    Wie ein letzter Flaggenmast am Ende der Welt ragte der Raumhafen
über der Militärbasis empor; vier spitz zulaufende Kegel
aus diamantartigen Polymeren erstreckten sich bis zur geosynchronen
Umlaufbahn und sogar noch ein wenig darüber hinaus – eine
radikale Ausnahme zur ansonsten vorherrschenden technologischen
Beschränkung der Neuen Republik. An den Kabeln glitten
bronzierte, geschossförmige Fahrstuhlkabinen auf und nieder, die
eine ganze Nacht für den Hin- und Rückweg brauchten. Hier
herrschte keine Fin-de-Siècle-Atmosphäre, sondern nur
schmucklose Funktionalität und eine strenge
Gewichtsbeschränkung. Die Schlafkapseln entsprachen einem
Modell, das man vor Urzeiten für die Lohnsklaven der japanischen
Industrie- und Hafenstadt Kobe entworfen hatte. (Zwar waren
Möglichkeiten zur Veränderung der Schwerkraft durchaus
bekannt, aber auch davor schreckte die Neue Republik zurück, es
sei denn, es diente rein militärischen Zwecken.) Als Martin zur
ersten freien Kabine hastete, konnte er zu seiner Erleichterung kein
Zeichen von Rachel entdecken.
    Bei seiner Ankunft landete er im militärischen Sektor der
Raumstation. Nachdem er sich beim Kontrollpunkt des Wachoffiziers
gemeldet hatte, schleuste man ihn sofort weiter, zu einer primitiven
Sicherheitsdurchleuchtung, die seine jährlich zulässige
Dosis an Röntgenstrahlen vermutlich schon bei einem einzigen
Durchgang überschritt. Es kamen einige schlimme Sekunden, als
ein Oberfeldwebel ihn aufforderte, sein Notebook vorzuführen.
Aber schließlich gab der Mann sich mit Martins Erklärung
zufrieden, das Gerät diene ihm als persönlicher Assistent,
er habe darin alle seine Arbeitsnotizen abgespeichert und könne
auf keinen Fall darauf verzichten. Danach hatte er eine halbe Stunde
Gelegenheit, sich in einem spartanisch eingerichteten, in
Behördengrün gestrichenen Wachraum langsam zu
beruhigen.
    Schließlich kam ein Rekrut, um ihn abzuholen. »Sie sind
wohl der Maschinist?«, fragte der Flugmatrose. »Wir haben
schon auf Sie gewartet.«
    Martin seufzte traurig. »Ich habe ebenfalls gewartet.«
Er stand auf. »Bringen Sie mich zu Ihrem Chef.«
    Die Neue Republik hatte das auf Luna ansässige Unternehmen
Mikojan, Guerewitsch & Kwaerner, kurz MiG genannt, dafür
bezahlt, einen Schlachtkreuzer zu entwerfen, der dem Namen ihres
Marine-Begründers Ehre machte: Er sollte so aussehen, wie man es
von einem Kriegsschiff erwartete, nicht wie die kubistische Vision
eines Tollwutvirus, gekreuzt mit einer Getränkedose (denn so
sahen die meisten Kriegsschiffe tatsächlich aus). Zwar
schränkte der Baustil die Funktionalität ein, dennoch
verlangte das Ergebnis einem ein gewisses Maß an Respekt ab.
Denn die Barock anmutende Batterie von Raketengeschossen und die
Laser mit ihren phasenverstärkten, zielsicheren
Strahlungsdiagrammen konnten genauso zuverlässig töten wie
modernere Waffen. Außerdem sah das Schiff gut aus, was MiG dazu
verholfen hatte, ein Vermögen damit zu machen. Überall
waren geistig beschränkte Militärcliquen ganz scharf auf
Nachfolger des Prototyps. Ernst Vaneks Waffe ist hervorragend dazu
geeignet, den Ernst von Verhandlungen zu unterstreichen, wie es MiGs
Marketingabteilung formulierte.
    Für Martin war die Lord Vanek nichts anderes als ein
Requisit in der komischen Oper, die die Neue Republik unablässig
vorführte. Allerdings war diese komische Oper längst

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