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Singularität

Singularität

Titel: Singularität Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
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Sinne, wie wir es verstehen, war und ist das Festival
gar nicht interessiert. Und das heißt, dass diese ganze
Expedition ein ungeheuer kostspieliger Fehler war. Aber das
bösartige Bandbreitenvirus, mit dem das Festival den Planeten
infiziert hat, werden wir nicht mehr los. Vielleicht müssen wir
die Kolonie ganz aufgeben oder zumindest unter Quarantäne
stellen. In dieser Hinsicht haben die Revolutionäre
tatsächlich gewonnen, denn der Dschinn ist jetzt aus der
Flasche. All das, wofür unsere Vorfahren gekämpft haben,
liegt in Scherben oder ist in alle Winde zerstreut! Die Bienen
übertragen das Virus ewiger Jugend, und die Straßen sind
mit Gold gepflastert. Das macht all unsere Werte zunichte!« Es
ärgerte ihn selbst, dass er sich so in Rage geredet hatte,
deshalb schwieg er kurz und holte tief Luft. »Natürlich
können wir in den ländlichen Gebieten nach Lust und Laune
Säuberungen durchführen, falls es uns gelingt, die
revolutionären Kader in Nowyj Petrograd
zurückzuschlagen…«
    Die Tür der Sternenkammer öffnete sich und gab den Blick
auf Admiral Kurtz frei, der in voller Pracht dastand. Er trug eine
von Goldtressen gesäumte karmesinrote Schärpe, und auf
seiner Brust prangten die Ehrenzeichen, wie es sein Rang gebot. Jetzt
sah er nicht mehr zwanzig Jahre älter, sondern zehn Jahre
jünger aus, als er tatsächlich war. Der weißhaarige
Aristokrat wirkte wie der Inbegriff eines vornehmen Diktators, der
auf beruhigende Weise Autorität ausstrahlt. »Also gut,
meine Herren. Sollen wir uns zur Inspektion begeben?« Zwar
machte er keine großen Schritte – daran hinderten ihn die
ausgezehrten Beinmuskeln –, aber er ging ohne jede fremde
Hilfe.
    »Das halte ich für eine sehr gute Idee«, erwiderte
Robard.
    »Allerdings.« Leonow und der Chefkurator folgten dem
Admiral im Gleichschritt, als er auf die Freitreppe zuging.
    »Die Sonne geht über Anarchie und Chaos unter, meine
Herren. Hoffen wir nur, dass ich die richtigen Worte finde, denn dann
wird das Morgen wieder uns gehören.« Gemeinsam traten sie
in den Hof, um zu den verlorenen Schafen zu sprechen, die, ohne es zu
wissen, bereits zur Herde zurückgekehrt waren.
     
    Eine bernsteinfarbene Träne, so groß wie eine Kutsche,
hing am Rande eines Hügels, der von ausgedörrten
Baumgerippen übersät war. Von Asche und einer feinen
Rußschicht überzogene Telegrafenmasten ragten in den
Himmel. Unter den Stiefeln von Burija Rubenstein, der einem Kaninchen
von menschlicher Größe folgte, knirschten winzige
Skelette.
    »Herr hier drinnen«, erklärte Mr Rabbit und
deutete auf die merkwürdig geformte Erhebung.
    Die Hände auf dem Rücken verschränkt, trat
Rubenstein vorsichtig näher. Ja, es war eindeutig Bernstein
– oder etwas, das sehr ähnlich aussah. Die
äußeren Schichten umschlossen viele Fliegen und Blasen,
während das Innere in Dunkel gehüllt war. »Das ist ein
Klumpen aus dem Stoff versteinerter Pflanzen. Dein Herr ist tot,
Kaninchen. Warum hast du mich hierher geführt?«
    Das Kaninchen war wie vor den Kopf geschlagen. Seine langen Ohren
klappten nach hinten und legten sich flach an den Schädel.
»Herr ist hier drinnen.« Es trat von einem Bein aufs
andere. »Als Possenreißer angreifen, ruft Herr nach
Hilfe.«
    Burija beschloss, das aufgeregte Geschöpf zu beschwichtigen.
»Verstehe…« Er hielt inne. Da war tatsächlich
etwas in dem Geröllblock, etwas Geheimnisvolles, das nicht genau
zu erkennen war. Und ebenso merkwürdig war, dass die Bäume
ringsum abgestorben waren, von innen heraus durch eine schreckliche
Energie verzehrt.
    Die Revolutionsgardisten, durch den Lysenko-Wald sowieso schon
verschreckt, hatten sich geweigert, diese Todeszone zu betreten. Sie
liefen unterhalb des Hügels herum, debattierten über die
ideologische Notwendigkeit, die nicht-menschlichen Arten in den Stand
der Weisheit zu erheben – einer hatte sich gerade heftig gegen
den Vorschlag gewehrt, Katzen die Sprachfähigkeit und das Recht
auf Widerspruch zu verleihen –, und verglichen ihre Implantate
miteinander. Ihre Extraausstattungen hatten von Tag zu Tag bizarrere
Formen angenommen.
    Als Burija näher hinsah, merkte er, wie sein Blick verschwamm
und sich verdoppelte, denn die Würmer des Ausschusses für
Staatliche Kommunikation gaben ihm ihre eigene Sicht der Dinge ein.
Es befand sich tatsächlich etwas in dem Geröllblock. Und
dieses Etwas beschäftigte sich mit noch längst nicht
ausgereiften Ideen, die so heftig am zellularen Kommunikationsnetz
des

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