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Singularität

Singularität

Titel: Singularität Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
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erzeugte eine
Simulation von Schwerkraft, die auf angenehme achtzig Prozent des
Normalen reduziert war. Unmittelbar vor der Doppelwand aus
synthetischem Diamant lag die Schiffswerft, wo sich der große
zylindrische Rumpf eines Raumschiffs vor einem Hintergrund voller
kosmischer Schönheit abzeichnete.
    So als markierten sie den Rand der Ewigkeit, fielen scharfkantige
Schatten über den grauen Zylinder. Das Vakuum sorgte für
die außerordentliche Klarheit der Umrisse. An mehreren Punkten
des Schiffsgehäuses waren Inspektionsfenster geöffnet.
Dessen innere Gedärme hatten sich auf beunruhigende Weise
gelöst und lagen jetzt offen und gewunden da, damit die
ferngesteuerten Greifarme, die durch zahlreiche Glieder mit ihnen
verbunden waren, sich an die Arbeit machen konnten. Das alles
erinnerte Wassily an einen toten, verwesenden Wal, der von einem Heer
limonengrüner Krebse verzehrt wird. Aber das Schiff war nicht
tot, wie ihm klar war: Es unterzog sich lediglich einer
Operation.
    Das Schiff, dachte Wassily, ähnelt einem
Marathonläufer, den Chirurgen auf Herz und Nieren
überprüfen und fit machen. Und zwar deshalb, weil sie ihn
gern in irgendeinen wundersamen Cyborg verwandeln möchten, der
im letzten, alles entscheidenden Wettkampf bestehen kann. Dabei
fiel ihm sein eigener, leicht schmerzender Kopf ein: Auch er selbst
musste sich äußerst gründlich auf den bevorstehenden
Kampf vorbereiten. Er konnte die neuen Nervenverbindungen bereits
spüren, ähnlich wie den ersten Ansatz eines unbekannten
Körperteils, das sich irgendwo außerhalb seines
unmittelbaren Wahrnehmungsvermögens allmählich
herausbildete. Noch drei Tage, so hatte ihm der Arzt am Morgen
versichert, dann würde er es schaffen, sich in der Nutzung des
Schädelimplantats zu üben. Sie hatten ihm eine ganze
Aktenmappe voller Instruktionen mitgegeben und außerdem einen
kleinen, ganz und gar illegalen Werkzeugkasten (der zudem schrecklich
teuer gewesen sein musste). Darüber hinaus hatten sie ihn mit
einem Vorzugsreiseschein ausgestattet, der ihn berechtigte, mit einem
Shuttle der Luftwaffe zur Station in der Umlaufbahn zu fliegen,
sodass er nicht den viel langsameren Fahrstuhl ins All hatte benutzen
müssen.
    »Prokurator Muller, wie ich annehme?« Er drehte sich zu
dem schmucken Burschen in der lindgrünen Uniform der
kaiserlichen Marine um, den Streifen an den
Ärmelaufschlägen als Leutnant auswiesen, und
grüßte militärisch. »Rühren. Ich bin
Leutnant Sauer, Sicherheitsoffizier an Bord der Lord Vanek. Sind Sie zum ersten Mal hier oben?«
    Wassily, der vor Verlegenheit keinen Ton herausbrachte, nickte
nur. Sauer wandte sich dem Fenster zu. »Eindrucksvoll, nicht
wahr?«
    »Ja!« Beim Anblick des riesigen Schlachtschiffs
überkam ihn eine Welle des Stolzes: Sein eigenes Volk
besaß und lenkte solche Schiffe! »Mein Stiefbruder ist auf
einem Schwesterschiff stationiert, auf der Skvosty.«
    »Oh, das ist ja wirklich toll. Ist er schon lange
dort?«
    »Drei… drei Jahre. Er ist als Zweiter Offizier für
die Abschusskontrolle zuständig. Er ist Leutnant, genau wie
Sie.«
    »Ah.« Sauter neigte den Kopf zur Seite und musterte
Wassily mit munterem, eindringlichem Blick. »Ausgezeichnet. Aber
sagen Sie mir, wie steht es tatsächlich um dieses Schiff? Wie
viel trauen Sie ihm zu?«
    Vom ersten Anblick des Schlachtkreuzers immer noch verwirrt,
schüttelte Wassily nur den Kopf. »Ich kann mir nichts
Überwältigenderes als ein solches Schiff vorstellen! Wie
könnte irgendjemand ein besseres bauen?«
    Sauer wirkte belustigt. »Sie sind Ermittler, kein
Kosmonaut«, bemerkte er. »Hätten Sie eine
Marinehochschule absolviert, würden Ihnen schon ein, zwei
Möglichkeiten einfallen. Begnügen wir uns für den
Augenblick damit, dass man es nicht nach dem alten Ernst mit der
eisernen Faust benannt hätte, wenn es nicht unser bestes Schiff
wäre. Aber nicht alle spielen nach denselben Regeln wie wir.
Deshalb ist es wohl nur gerecht, wenn wir mal ein anderes Spielchen
spielen – was natürlich genau der Grund ist, warum Sie hier
sind und wir dieses Gespräch führen. Sie wollen doch das
Schiff und die Republik beschützen, nicht wahr?«
    Wassily nickte eifrig. »Ja. Hat mein Chef Sie wissen lassen,
warum ich hier bin?«
    »Ich bin bestens informiert. Alles, was die Sicherheit an
Bord beeinträchtigen könnte, nehmen wir
außerordentlich ernst. Sie werden nicht in Bereichen arbeiten
können, zu denen der Zutritt verboten ist. Aber soweit es mich
betrifft, können

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