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Singularität

Singularität

Titel: Singularität Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
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aus wässerigen, aber durchdringenden blauen
Augen an. Verdammte fremdländische Wichtigtuer, dachte er.
Obgleich Cho für einen degenerierten Anarchisten und
Technikadvokaten von der Erde kein übler Kerl war. Er erinnerte
Michael an einen Bluthund: große Tränensäcke unter
den Augen, Hängebacken, ein ewig trauriger Blick und ein schnell
zuschnappender Verstand.
    George Cho seufzte und lehnte sich in seinem Sessel zurück.
Am Erzherzog vorbei starrte er auf das Wandporträt des
herzoglichen Vaters, Hasek II., der mit vierzig Jahren Kaiser
geworden und mit sechzig an Altersschwäche gestorben war. Fast
so etwas wie ein Wunder, eine Kraft des Fortschritts in einem
wahnsinnig konservativen Milieu. Der Mann hatte die Neue Republik
jedenfalls so weit aus ihrem Schneckenhaus gezerrt, dass sie sich
eine Marine und drei oder vier rückständige,
hinterwäldlerische Kolonien zugelegt hatte. Hasek II. hatte die
Geschichte gründlich studiert. Ein gefährlicher Mann.
    »Mir fällt auf, dass Sie meinen Vater betrachten. Er war
ein sehr halsstarriger Mann, das liegt bei uns in der Familie«,
bemerkte Michael trocken. »Wir mögen es nicht, wenn
Außenstehende ihre Nasen in unsere Angelegenheiten stecken.
Vielleicht ist das ein wenig kurzsichtig, aber…« Er zuckte
die Achseln.
    »Ah.« Cho wandte seinen Blick wieder dem Herzog zu.
»Ja, natürlich. Allerdings frage ich mich, ob man Ihnen
auch wirklich klar gemacht hat, welche Vorteile Ihnen die
Einbeziehung der Vereinten Nationen bringen kann. Ich bin der
Meinung, dass wir eine ganze Menge anzubieten haben. Mir würde
im Traum nicht einfallen, Ihnen damit zu kommen, wenn ich nicht der
Auffassung wäre, Sie könnten davon profitieren.«
    »Es gibt Vorteile, aber auch Nebenwirkungen. Haben Sie an
irgendetwas Bestimmtes gedacht?« Michael beugte sich vor.
    »Im Grunde… ja. Es läuft auf die Klausel neunzehn
hinaus. Das ausdrückliche Verbot, Waffen einzusetzen, die die
raumzeitliche Kausalität verletzen. Wer den Einsatz einer Waffe
auslöst, die imstande ist… et cetera, macht sich eines
Verbrechens wider die Menschheit schuldig und wird dafür nach
den internationalen Vereinbarungen bestraft. Natürlich wissen
wir nur zu genau, dass Sie nicht im Geringsten daran denken, solche
Waffen gegen eine Ihrer eigenen Welten einzusetzen. Aber wir haben
nur unzureichendes Material über die Absichten der, äh,
Angreifer, dieses Festivals. Es gibt auffallend wenige Informationen
darüber, was an sich schon beunruhigend ist. Deshalb gebe ich zu
bedenken, ob es für Sie nicht von Vorteil wäre,
unabhängige Beobachter der Vereinten Nationen bei Ihrer
Expedition dabeizuhaben. Beobachter, die jegliche Anschuldigung, dass
die Neue Republik Verbrechen wider die Menschheit begeht,
entkräften könnten. Außerdem könnten sie im
Fall, dass Ihre eigenen Streitkräfte auf diese Weise angegriffen
werden, als Zeugen dienen.«
    »Aha.« Zähneknirschend lächelte Michael dem
Botschafter zu. »Und was bringt Sie auf den Gedanken, dass eine
Expedition geplant ist?«
    Jetzt war es an Cho zu lächeln. Allerdings war es ein
müdes Lächeln, denn er war jetzt schon seit fast
achtundvierzig Stunden auf den Beinen, damit beschäftigt,
Geheimdienstberichte miteinander zu vergleichen, Medien zu
überwachen und sich, so gut es ohne fremde Hilfe möglich
war, einen Gesamtüberblick zu verschaffen. Die Neue Republik
hatte die Größe seines diplomatischen Stabs strikt
begrenzt. »Kommen Sie schon, Exzellenz, sollen wir Ihnen etwa
abnehmen, dass sich die Neue Republik in ihrer Ehre beleidigen
lässt – ganz zu schweigen von der Verletzung der
Territorialhoheit –, ohne darauf zu antworten? Irgendeine
Reaktion muss zwangsläufig erfolgen. Und angesichts der
Tatsache, dass Ihre Marine nicht mehr am Ort präsent ist,
angesichts der erhöhten Alarmbereitschaft und der eifrigen
Konstruktions- und Wartungsarbeiten in der Umgebung Ihrer
Stützpunkte in Klamowka, Libau und V-1 liegt eine
Marineexpedition nahe. Oder hatten Sie vor, Ihre Soldaten dorthin zu
verfrachten, indem sie dreimal die Hacken zusammenschlagen und dabei
sagen: ›Ob Osten oder Westen, zu Hause ist’s am
besten‹?«
    Um seinen Ärger zu überspielen, kniff sich Michael in
die Nasenwurzel. »Die Planung eines Marineeinsatzes kann ich im
Augenblick weder bestätigen noch dementieren.«
    Cho nickte. »Selbstverständlich nicht.«
    »Aber wissen Sie irgendetwas über das Festival? Oder
darüber, was in Rochards Welt vor sich geht?«
    »Überraschend

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