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Singularität

Singularität

Titel: Singularität Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
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Eilzugs wie
gelähmt ist, starrte Kossov den Stellvertreter seines
höchsten Vorgesetzten an.
    »Also, Beauftragter der Erde«, Bauer legte den Kopf
schräg und sah Rachel so prüfend wie ein Raubvogel an, der
nur ein einziges Ziel kennt, »was kann mir die hoch
geschätzte regierungsverbindende Körperschaft der Erde
über das Festival erzählen?« Seine Frage klang fast
höhnisch.
    »Ah.« Rachel schüttelte den Kopf. Natürlich
hatte der arme Junge sein Bestes versucht. Keiner dieser Menschen
konnte viel über das Festival wissen, selbst sie wusste fast
nichts. Dort gähnte eine einzige große Lücke.
    »Nun?«, drängte Bauer.
    Rachel seufzte. »Es sind alles nur vorläufige Annahmen.
Niemand von der Erde hat bis jetzt direkten Kontakt mit der
Organisation gehabt, die als Festival bekannt ist. Deshalb
verfügen wir auch nur über nicht verifizierte Informationen
aus zweiter Hand, die, offen gesagt, kaum glaubhaft sind. Demnach
scheint das Festival keine Regierung oder Organisation in dem Sinne
darzustellen, wie wir sie kennen. Es ist sogar möglich, dass
keine Menschen dahinterstecken. Wir wissen lediglich, dass
irgendetwas namens Festival in fernen besiedelten Systemen
aufzutauchen pflegt – bis jetzt nie näher als tausend
Lichtjahre an der Erde dran – und dann… Nun ja, zur
Beschreibung dessen, was als Nächstes geschieht, haben wir immer
wieder den Ausdruck Jubel gehört, falls das für Sie
irgendeinen Sinn ergibt. Alles… hört einfach auf. Und
solange das Festival vor Ort ist, lenkt es das alltägliche
Geschehen innerhalb der betroffenen Gesellschaft.« Sie sah Bauer
an. »Habe ich Ihre Frage damit beantwortet?«
    Bauer, der verärgert wirkte, schüttelte den Kopf.
»Nein«, erwiderte er, »eigentlich wollte ich wissen,
wozu das Festival fähig ist.«
    Rachel zuckte die Achseln. »Das wissen wir nicht«,
erklärte sie schroff. »Wie schon gesagt, haben wir es nie
aus nächster Nähe gesehen.«
    Bauer runzelte die Stirn. »Dann ist das auch für Sie
eine Premiere, nicht wahr? Was uns zum nächsten Punkt der
Tagesordnung bringt: neuester Stand des Navigationsplans
Delta…«
     
    Einige Stunden später lag Rachel, den Kopf in die Kissen
vergraben, in ihrer Schlafkoje und versuchte all das, was um sie
herum geschah, vorübergehend zu verdrängen – was nicht
einfach war. Zu vieles von dem, was in der Welt vor sich ging, hatte
sie im Laufe der Jahre bis nach Hause verfolgt und verlangte
lautstark nach Beachtung.
    Sie war immer noch am Leben. Irgendwie war ihr durchaus klar, dass
sie dabei Erleichterung hätte empfinden müssen. Aber das
Bild, das sie im Besprechungszimmer gewonnen hatte, war ihr
stärker an die Nieren gegangen, als sie sich selbst eingestehen
wollte. Was den Mittelpunkt der ganzen Unternehmung hätte bilden
müssen, war ein großes Nichts, ein seniler Admiral. Und
der Führungsstab hatte zwar die besten Absichten, aber nicht die
geringste Ahnung: Die Leute waren so wenig flexibel, dass sie ihre
Aufgaben schlichtweg nicht angemessen ausführen konnten. Bis zur
eigenen Erschöpfung hatte sie zu erläutern versucht, wie
fortschrittliche Gesellschaften in solchen Situationen vorgingen
– ohne dass sie irgendetwas kapiert hätten! Da sie eine
Dame war – wenn auch eine leicht anrüchige, ein weiblicher
Diplomat –, hatten sie höflich dazu genickt und ihren Rat
sofort wieder in den Wind geschrieben.
    In einem Krieg der Informationen kann man den Angriff nicht mit
Raketen und Lasern abwehren, genauso wenig wie man eine Lokomotive
durch Speere oder Steinäxte aufhalten kann. Und man kann einen
Angriff von Replikatoren nicht dadurch parieren, dass man die
Maschinen mit Energie und Materie bombardiert, denn beides wird ihnen
nur als neues Futter dienen. Auf diese Ausführungen hin hatten
sie beifällig genickt, um gleich darauf dazu überzugehen,
die Stärken aktiver Gegenmaßnahmen gegenüber Systemen
herauszustellen, die nur schwer auszuloten waren. Und immer noch
hatten sie nicht das Geringste begriffen. Es war so, als ob allein
schon die Vorstellung von einem Phänomen, wie es das Festival
oder auch nur das Septagon-System darstellte, weit über den
geistigen Horizont der Bürger der Neuen Republik hinausginge.
Weit eher konnten sie sich mit einer Frau in Hosen, selbst in der
Uniform eines Obersten abfinden, als geistig etwas technologisch
Einzigartiges zu erfassen.
    Vor Jahren hatte sie auf der Erde an einem einwöchigen
Seminar von Experten teilgenommen. Dort waren Fachleute

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