Singularität
alle unsere Teetassen erhoben und auf
den Niedergang des Hauses von Lancaster angestoßen. Sehr
traditionsbewusst, wir Leute aus Yorkshire. Ich erinnere mich noch an
die Feierlichkeiten zum tausendsten Jahrestag unseres Sieges –
aber genug von mir geredet. Was hast du mittwochs getan?«
Rachel blinzelte. »Nichts Besonderes. Terroristische A-Bomben
entschärft, mich von einem Schuss algerischer Mormonen erwischen
lassen, die sich abspalten wollten. Ah… das war, nachdem ich
mein Leben zum ersten Mal umgekrempelt hatte. Ich glaube, davor habe
ich die Kinder zum Fußballtraining gefahren, allerdings bin ich
nicht sicher, ob das wirklich mittwochs war.« Sie wandte sich
einen Augenblick zur Seite und kramte in dem Schiffskoffer unter
ihrem Bett herum. »Ah, da ist sie ja.« Sie zog eine schmale
Schachtel heraus und machte sie auf. »Weißt du was?
Vielleicht hättest du dir das Ausnüchterungspflaster gar
nicht aufkleben sollen.« Im sterilen Licht der Kabinenlampen
funkelte die Flasche in verführerischem Goldton.
»Wenn ich’s nicht getan hätte, wäre ich dir
ganz sicher auf den Geist gegangen. Ich war drauf und dran, mich
völlig zu besaufen und, einsam und allein wie ich war, eine
regelrechte Depression zu entwickeln. Da musstest du schon
dazwischenfunken und mich zum Ausnüchtern zwingen.«
»Na ja, vielleicht hättest du einfach versuchen sollen,
einen Saufkumpan zu finden, anstatt dich allein zu betrinken.«
Sie zauberte zwei kleine Gläser hervor und beugte sich
näher zu ihm. »Möchtest du den mit Wasser
verdünnen?«
Kritisch beäugte Martin die Flasche: Es war die
Abfüllung eines fünfzig Jahre alten Speyside Single Malt
Whiskys, fassgegoren, so vollkommen, als wäre er echt. Falls es
sich nicht um den nanoproduzierten Klon des Originals handelte,
konnte man den Inhalt der Flasche in Platin aufwiegen. Was nicht
bedeutete, dass er nicht genießbar war, ganz im Gegenteil.
»Ich nehm ihn pur und melde mich morgen auf der Krankenstation,
damit sie mir eine neue Gurgel verpassen.« Er pfiff anerkennend,
als sie ihm großzügig einschenkte. »Woher wusstest
du’s?«
»Dass du den mögen würdest?« Sie zuckte die
Achseln. »Ich hab’s nicht gewusst. Ich selbst bin nur mit
billigem Korn aufgewachsen. Hab das Wahre erst bei einem Job in
Syrtis entdeckt…« Ihre Miene bewölkte sich. »Auf
Glück und ein langes Leben.«
»Darauf trinke ich«, stimmte er nach einem Augenblick
zu. Eine Minute lang saßen sie schweigend da und genossen den
Nachgeschmack des Whiskys. »Allerdings wäre ich derzeit
glücklicher, wenn ich wüsste, was vor sich geht.«
»Ich würde mir nicht allzu große Sorgen machen.
Entweder gar nichts, oder wir werden so schnell tot sein, dass wir
gar nichts merken. Der Flugzeugträger von Septagon wird
wahrscheinlich nur ein kurzes Einschüchterungsmanöver
durchführen, um sich davon zu überzeugen, dass wir keine
weiteren Gemetzel vorbereiten, und uns dann zur nächsten
Sprungzone eskortieren, während sich die Diplomaten darüber
streiten, wer die Zahlungen übernimmt. Ich habe jetzt die
Kommunikationszentrale dazu gebracht, auf jeden Fall mit meinem Namen
zu pokern, was der auch wert sein mag. Das wird sie hoffentlich dazu
bringen, erst mal nachzufragen, ehe sie auf uns ballern.«
»Mir wäre wohler, wenn ich wüsste, dass wir
irgendeine Fluchtmöglichkeit haben.«
»Entspann dich. Trink deinen Whisky.« Sie
schüttelte den Kopf. »Wir kommen hier nicht weg, also
hör auf, dir deswegen Gedanken zu machen. Wie auch immer: Wenn
sie uns tatsächlich unter Beschuss nehmen, würdest du dann
nicht lieber glücklich sterben, beim Genuss eines guten Single
Malt, als vor Angst herumzubrüllen?«
»Hat dir schon mal jemand gesagt, dass du kaltblütig
bist? Nein, ich nehm’s zurück. Hat dir schon mal jemand
gesagt, dass du eine Panzerhaut hast?«
»Oft genug.« Sie starrte nachdenklich in ihr Glas.
»Die hab ich mir antrainiert. Bete darum, dass du es nie lernen
musst.«
»Heißt das, dass du es lernen musstest?«
»Ja. Anders hätte ich meinen Job nicht tun können.
Den letzten Job, meine ich.«
»Was hast du getan?«, fragte er leise.
»Das mit den A-Bomben der Terroristen war kein Scherz.
Eigentlich war das mit den Bomben der leichteste Teil der Arbeit.
Schwierig war’s, die Arschlöcher aufzuspüren, die sie
gelegt hatten. Finde das Arschloch, finde die Gerätschaften,
mache sie unbrauchbar, heb das Lager aus, wo sie das Plutonium
abgesprengt haben. Normalerweise in dieser
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