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Singularität

Singularität

Titel: Singularität Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
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Reihenfolge. Es sei denn,
wir hatten das Pech, uns mit einer unvorhergesehenen Bombensuche
irgendwo in der Innenstadt befassen zu müssen, ohne dass jemand
vorher eine Bombenwarnung geschickt hatte. Wenn wir das Arschloch
dann fanden, bestand der schwierigste Teil unserer Arbeit darin, den
Mob, der auf Lynchjustiz aus war, auf Abstand zu halten, bis wir
herausfinden konnten, wo sie den Sprengstoff herhatten.«
    »Hast du dabei je irgendwelche Leute verloren?«, fragte
er noch leiser.
    »Du meinst, ob ich’s je vermasselt und dadurch mehrere
tausend Menschen auf dem Gewissen hab?«, fragte sie.
»Ja…«
    »Nein, das hab ich nicht gemeint.« Behutsam griff er
nach ihrer freien Hand. »Ich weiß, was du durchgemacht
hast. Bei jeder Arbeit, die ich erledige… Wenn’s nicht
klappt, zahlt irgendjemand den Preis dafür. Möglicherweise
hunderte oder tausende von Unbekannten. Das ist der Preis für
gute Ingenieursarbeit: Niemand merkt es, wenn du deine Sache richtig
gemacht hast.«
    »Eigentlich versucht aber doch niemand, dich in deiner Arbeit
zu behindern«, wandte sie ein.
    »Oh, du würdest dich wundern.«
    Ihre verspannten Schultern lockerten sich etwas. »Ich bin
sicher, du könntest auch darüber einiges erzählen.
Weißt du, für jemanden, der nicht gut mit Menschen kann,
bist du als Schulter zum Ausheulen gar nicht schlecht.«
    Er schnaubte. »Und für jemanden, der in seinem Job ein
Versager ist, machst du dich bislang verblüffend gut.« Er
ließ ihre Hand los und rieb ihr den Nacken. »Aber ich
glaube, du könntest eine Massage gebrauchen. Du bist wirklich
verspannt. Hast du schon Kopfweh?«
    »Nein«, erwiderte sie mit leichtem Zögern und trank
noch einen Schluck Whisky. Ihr Glas war schon fast leer. »Aber
ich lasse mich gern zu einer Massage überreden.«
    »Ich kenne drei Arten, glücklich zu sterben. Leider hab
ich noch keine davon ausprobiert. Hättest du Lust
mitzumachen?«
    »Wo hast du davon gehört?«
    »Bei einer Seance. Es war eine gute Seance. Aber, ganz im
Ernst, Dr. Springfield verschreibt dir eine weitere Dosis vom
Speyside-Lebenswasser, danach legst du dich hin und bekommst eine
Nackenmassage. Und selbst wenn die Hinterhältigen
beschließen sollten, zu intervenieren und auf uns zu ballern,
werden wenigstens fünfzig Prozent von uns beiden glücklich
sterben. Na, wie klingt das?«
    »Wunderbar.« Sie lächelte müde und griff nach
der Flasche, um ihm nachzuschenken. »Aber weißt du was? Du
hast Recht mit dem, was du über dieses Gefühl von
Ungewissheit gesagt hast. Man kann sich zwar daran gewöhnen,
aber leichter wird es nicht dadurch. Ich wünschte, ich
wüsste, was die sich gedacht haben…«
     
    Bronzeglocken ertönten auf der Brücke des
Flottenträgers Neon Lotus, Räucherstäbchen schwelten
in Gefäßen oberhalb von Lufteinlassventilen. Jenseits der
dekorativen, in Gold gefassten Stützpfeiler, die die Ecken der
Kabine markierten, hoben sich die strahlend hellen Juwelen der
suchenden Glyphen vom Hintergrund unendlicher Dunkelheit ab. Adriane
Eldrich, die für die Koordination aller technischen und
militärischen Systeme an Bord zuständig war, lehnte sich in
ihrem Sessel zurück und sann über die Schwärze des
Raums nach. Aufmerksam blickte sie auf die Gruppe von Glyphen, die
den Vektor nahe beim Mittelpunkt der Wand durchschnitten.
»Barbarische Idioten. Was haben die sich nur dabei
gedacht?«
    »Denken war dabei wohl kaum im Spiel«, bemerkte Marcus
Bismarck, Befehlshaber der militärischen Abwehr, trocken.
»Unsere republikanischen Nachbarn scheinen zu glauben, dass zu
viel Gedankenarbeit das Gehirn zersetzt.«
    Eldrich schnaubte. »Nur allzu wahr.« Eine kleinere
Ansammlung von Diademen verfolgte eine konvergente Bahn, die hinter
der Schlachtflotte der Neuen Republik durch die Leere führte:
Spuren eines Geschwaders von Abfangjägern mit
Antimaterieantrieben, die aufgrund greller Gammastrahlung eine
Beschleunigung von nicht ganz tausend g erreichten, sechs
Stunden vom Träger entfernt. Die Körper der
Besatzungsmitglieder waren in künstlichen Schlaf versetzt,
während ein Uploading ihrer Gehirne in die Computermatrices
dafür sorgte, dass sie die Eindringlinge beobachten konnten.
Ohne jede Gefühlsregung achteten sie auf jedes Anzeichen aktiver
Gegenmaßnahmen, ein Vorspiel zum Angriff.
    »Auf was haben die denn zu feuern geglaubt?« Eine neue
Stimme ergriff das Wort. »Man weiß ja nicht, was man ihnen
abnehmen darf, aber die behaupten, dass sie sich im

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