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Singularität

Singularität

Titel: Singularität Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
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Kriegszustand
befinden.« Der weiche Sopran gehörte Chu Melinda, der
Vertreterin der Staatssicherheit an Bord. »Die sagen, sie
hätten die Grubenschlepper für feindliche Abfangjäger
gehalten. Aber wer dieser Feind sein soll, mit dem sie ausgerechnet
in unserem Hoheitsgebiet gerechnet haben…«
    »Ich dachte, sie würden nicht direkt mit uns
kommunizieren?«, fragte Bismarck.
    »Das tun sie auch nicht, aber sie verfügen an Bord
über ein halbwegs vernünftiges Spezialsystem der
Diplomatie. Die behaupten, es handle sich um einen Beobachter der
Vereinten Nationen, was… äh… gemäß der
Authentizitätsprüfung auch zu stimmen scheint. Es
bestätigt nur deren eigene Inkompetenz, also nehmen wir ihnen
wohl besser ab, dass es der Wahrheit entspricht. Es sei denn, unser
Kapitol hat vor, die Vereinten Nationen der Lüge zu bezichtigen.
Jedenfalls liegt der Vertrauensfaktor bei über achtzig
Prozent.«
    »Warum sollten sie diesem System der Vereinten Nationen
Zugang zu ihrem Kommunikationsnetz an Bord gestatten?«
    »Wer außer dem Eschaton kann das schon wissen? Ich
stelle lediglich mit Interesse fest, dass alle Schiffe der Flotte bis
auf eines in einer Solarwerft gebaut worden sind.«
    »Kann nicht sagen, dass mich das sonderlich befriedigt.«
Eldrich starrte verstimmt auf den Schirm. Das Schiff spürte
etwas von ihrer Grundstimmung: Zur Auswahl des Angriffsziels
geisterte kurz ein Cursor über den Schirm und warf
Markierungspunkte über die dort projizierten Lichtkegel der
feindlichen Flotte. »Und dennoch… Solange wir sie davon
abhalten können, noch mehr Unheil anzurichten… Gibt’s
irgendeine Veränderung in ihrer Sprungbahn?«
    »Noch nicht«, bemerkte Chu. »Die wollen immer noch
nach SPD-47. Warum sollte da überhaupt jemand hin wollen? Es ist
noch nicht einmal ein Pfad, der zu irgendeiner ihrer Kolonien
führt.«
    »Hm. Und sie sind wie aus dem Nichts aufgetaucht. Kommt euch
dabei ein bestimmter Verdacht?«
    »Entweder sind die verrückt, oder aber der Inspektor der
Vereinten Nationen ist aus einem ganz bestimmten Grund an Bord«,
überlegte Bismarck. »Falls sie versuchen, irgendeinen Feind
in einer zeitartigen Schleife zu umgehen, und dieser
Feind…« Seine Augen weiteten sich.
    »Was ist los?«, fragte Ariadne scharf.
    »Das Festival!«, rief er mit funkelnden Augen.
»Erinnert ihr euch? An die Sache vor fünf Jahren? Sie haben
vor, das Festival anzugreifen!«
    »Sie wollen es angreifen?«, platzte Ariadne Eldrich
heraus. »Das Festival? Warum denn nur, um Himmels
willen?«
    Einen Moment lang nahm Chus Blick einen glasigen Ausdruck an, denn
sie loggte sich geistig in einen umfassenden Gedächtnisspeicher
ein, der viel größer war und viel mehr Kapazität
hatte als jedes Computernetzwerk der Erde vor der Singularität.
»Er hat Recht«, sagte sie. »Die Technikfeinde wollen
das Festival angreifen – als ob es irgendein imperialistischer
Aggressor aus Fleisch und Blut wäre.«
    Ariadne Eldrich, Koordinatorin aller technischen und
militärischen Systeme an Bord, die mehr Waffenpotenzial zu
befehligen hatte, als die Marine der Neuen Republik sich jemals
erträumen könnte, gab schließlich ihrem Drang nach
und kicherte wie eine Irre los. »Die müssen wirklich
wahnsinnig sein!«

 
telegramm
von den toten
     
     
    Vor der Singularität hatten die Menschen, die auf der Erde
lebten, zu den Sternen aufgesehen und sich in ihrer Einsamkeit mit
dem beruhigenden Gedanken getröstet, dass das Universum an
nichts und niemandem Anteil nahm.
    Leider war das ein Irrtum.
    An einem Sommertag in der Mitte des einundzwanzigsten Jahrhunderts
mischte sich aus heiterem Himmel etwas, für das es keinen
Präzedenzfall gab, in das hektische Treiben des
Ameisenhügels der irdischen Zivilisation ein und stocherte mit
einem Stock darin herum. Was es war, daran war kaum zu deuteln: die
Manifestation einer den Menschen haushoch überlegenen
Intelligenz, die so weit über ein gut ausgebildetes und
künstlich verstärktes menschliches Gehirn hinausreichte wie
der menschliche Verstand über den eines Frosches. Was
Rätsel aufgab, war die Frage, woher es kam. Ganz zu schweigen
von der Ungewissheit, aus welcher Zeit es stammte.
    Vor der Singularität hatte man neue Erkenntnisse in der
Quantenlogik damit verkauft, dass sie in der Informatik Tore zu
ungeahnten Entwicklungen in der künstlichen Intelligenz
öffneten. Ebenso hatte man daran gearbeitet, Informationen auf
Zeitreise in die Vergangenheit zu schicken: möglicherweise

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