Sinnliche Maskerade
hoch.
»Ja, endlich«, stimmte sein Zwilling zu und untersuchte das Frühstücksangebot auf der Anrichte. »Ich habe vor, heute Vormittag in den Windsor Park auszureiten. Ich muss diese Zappelei loswerden. Hast du Lust, mich zu begleiten?«
»Ich würde schon gern«, Sebastian stöhnte spöttisch auf und verzog das Gesicht in Richtung seiner Frau, »aber Serena besteht darauf, dass ich zwei Häuser mit ihr besichtige, zwischen denen sie sich nicht entscheiden kann. Meine Frau ist sonst nicht so unentschlossen.«
»Nun, du musst doch schließlich auch dort leben«, erwiderte Serena, und, an Peregrine gewandt: »Du scheinst wieder ein wenig mehr zu dir gekommen zu sein, Perry?«
»Ich bin nicht mehr ganz so zornig«, gestand er ein, »aber ich weiß immer noch nicht, was ich am besten unternehmen sollte. Nur dass ich im Moment für das verdammte Weib nichts tun kann, weshalb ich erst mal mit meinem üblichen Alltag weitermachen will.«
»Gut.« Sebastian lächelte erleichtert.
Perry lächelte, als habe er ein schlechtes Gewissen.
»Ich glaube, die letzte Woche mit mir war ziemlich schwer auszuhalten.«
»Nein, du warst einfach nicht richtig hier«, wehrte sein Zwilling ab und verbarg die Nase in seinem Krug Ale.
Bald darauf verließ Peregrine das Haus und ritt auf Sam durch die noch stillen Straßen des eleganten London bis hinaus aufs Land in Richtung Schloss Windsor und die umgebende Parklandschaft.
Er war froh, dass Sebastian seine Einladung abgelehnt hatte, denn es fühlte sich gut an, in der frischen Luft allein zu sein und Sams lockeren Gang zu spüren. Es war, als würde das staubige, versponnene Netz seiner Gedanken aufreißen und sich klären. Er konnte ihr zwar immer noch nicht vergeben, dass sie ihn ohne ein persönliches Wort verlassen hatte, aber mittlerweile keimte endlich etwas wie Mitgefühl in ihm auf. Sie war im Stich gelassen worden, betrogen von einem Vater, dem sie vertraut hatte. Vielleicht hätte er damit rechnen müssen, dass sie Zeit brauchte, um wieder einem Mann vertrauen zu können.
Peregrine hatte immer noch vor, mehr als deutlich zu sagen, was er von ihrem Verhalten hielt, wenn sie ... falls sie wieder zu ihm zurückkehrte. Melancholische Stimmung senkte sich wieder über ihn, und auf dem breiten Reitweg am Fluss entlang trieb er Sam in den Galopp, gab dem Pferd die Zügel frei, bis das Tier von selbst wieder langsamer wurde. Im puren Hochgefühl des Rittes war seine trübsinnige Stimmung wie ausgelöscht.
Es war bereits mitten am Nachmittag, als er wieder in die Stadt zurückkehrte. Müde trottete Sam über das Kopfsteinpflaster, und auch Perrys Körper schmerzte, aber auf angenehme Weise. Er brachte das Tier in den Stall zurück und ging zu Fuß in die Stratton Street. Just als er die Haustür erreicht hatte, trat Marcus Crofton auf die Straße.
»Oh Perry, ich habe überall nach dir gesucht. Seit ein paar Tagen hat dich niemand mehr gesehen. Dein Bruder und seine Frau sind auch nicht zu Hause.«
»Schön, dass du mich besuchst, Marcus. Willst du nicht mit reinkommen und ein Glas Wein mit mir trinken?«
»Gern. Ich habe ein paar interessante Neuigkeiten«, sagte Marcus und folgte seinem Gastgeber ins Haus.
Ein eisiger Schauder der Vorahnung jagte Perry über den Rücken. Hut und Reitgerte warf er auf die Bank neben der Tür, schlüpfte aus seiner Reitjacke und drängte seinen Gast in den warmen Salon.
»Sherry oder Bordeaux?«
»Danke, gern einen Bordeaux.« Marcus nahm Platz und legte ein Bein über das andere. Nickend nahm er seinem Freund das Glas ab und nippte anerkennend.
»Nun, welche Neuigkeiten?«, wollte Perry wissen, nachdem er sich mit einem Glas in der Hand gesetzt hatte.
»Ach ja ... heute Morgen erreichte mich ein Brief von meiner Mutter. Wirklich eine verteufelte Sache ... Mistress Hathaway, deine Lieblingsbibliothekarin, erinnerst du dich noch?«
»Ja, natürlich«, sagte Perry und hatte den Blick starr auf seinen Gast gerichtet. Seine Miene war wie versteinert.
»Nun, es scheint, als habe sie die ganze Zeit über das eine oder andere Stück aus der Bibliothek gestohlen«, sagte Marcus, »darunter auch ein wertvolles Stück ... Chaucer, hieß es wohl ... und niemand kann sagen, was sonst noch verschwunden ist, weil nur sie allein weiß, was sich in der Bibliothek befunden hat.«
Peregrine hatte sich seit geraumer Zeit mit dieser Möglichkeit auseinandergesetzt, sodass er jetzt keinerlei Schock verspürte, ja noch nicht einmal Überraschung, sondern
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