Sinnliche Maskerade
ihren bleichen Teint. Die Farbe ihres Unterkleides beißt sich wirklich schrecklich mit ihrer Haarfarbe, dachte Alexandra mit beinahe boshafter Befriedigung, wie kann eine Frau nur so wenig Gespür dafür haben, was ihr steht oder nicht. Lady Maude war eine eher unscheinbare Frau, obwohl ihre zusammengekniffenen Lippen und die kleinen grünen Augen ihr den Anschein einer gewissen Gehässigkeit verliehen - und auch den Anschein einer zutiefst enttäuschten Frau. Das Leben hatte Lady Maude nicht das geschenkt, worauf sie glaubte, Anspruch erheben zu können, was Alexandra in mancher Hinsicht wiederum ein gewisses Vergnügen bereitete.
»Ich muss mich zuerst mit Sir Stephen besprechen, Ma’am«, entgegnete Alexandra, »ich glaube, allein er ist mein Dienstherr.«
Angesichts ihres Tonfalls und der Missbilligung in ihren klaren grauen Augen blies Lady Maude die Nasenlöcher auf.
»Das ist nicht nötig«, schnappte sie, »ich werde meinen Ehemann über unsere neue Vereinbarung informieren.« Die gelbe und orangefarbene Seide raschelte laut, als sie die Bibliothek verließ.
Am liebsten wäre Alexandra aufgesprungen und ihr nachgeflogen, hätte ihr alle Wut und alle Empörung in das elende Gesicht geschrien. Aber das durfte sie nicht, denn es hätte auf jeden Fall noch mehr Schaden angerichtet, als ohnehin schon angerichtet war. Kein Zweifel, dass der unangenehme Wortwechsel auf sie Zurückschlagen würde. Aber um dieses Problem musste sie sich kümmern, wenn es so weit war. Mit einer gewissen Abscheu betrachtete sie die Papiere, die vor ihr lagen und im Moment jede Anziehung verloren zu haben schienen.
Sie schob sie zur Seite und zog ein frisches Velinpapier hervor. Es hatte niemals seine Anziehung verloren, den wöchentlichen Brief an Sylvia zu schreiben. Diese Woche ist interessanter als üblich, überlegte sie. Sylvia würde ihren Spaß daran haben, nacheinander die Beschreibungen ihrer Stiefmutter sowie der Frau zu lesen, die auf Combe Abbey deren Platz eingenommen hatte. Zwei so grundverschiedene Frauen ... die eine, die sowohl Alex als auch ihre Schwester schätzen würden, hingegen die andere, die Sylvia so herzlich verabscheuen würde, wie auch Alex es tat.
Und dann war da noch die Ankunft von Peregrine Sullivan. Würde Sylvia sich dafür interessieren? Warum eigentlich?, dachte Alex, er ist schließlich nicht anders als andere Besucher auf Combe Abbey. Oder zumindest nicht anders als die anderen jüngeren Besucher aus London. Ja, natürlich war er ein Freund ihres Stiefbruders. Alex mochte Marcus und wusste, dass es Sylvia nicht anders ergehen würde. Das waren gute Gründe genug, seine Ankunft in ihren Bericht über die Wochenereignisse auf Combe Abbey einzuschließen.
Alex strich über die Spitze ihrer Feder und starrte auf das leere Blatt. Wie sollte sie den Honorable Peregrine beschreiben? Blond, groß, erstaunlich blaue Augen. Bescheidene Kleidung, die ihm aber sehr gut stand. Nichts an ihm war extravagant; er hatte einfach nur eine natürliche, unaufdringliche Eleganz an sich und erweckte den Eindruck, als ob er sich in seiner Haut ganz und gar wohlfühlte und sich nie infrage stellte. Geistige
Herausforderungen wusste er zu schätzen, womit er sich von den üblichen Besuchern auf Combe Abbey unterschied.
Sie tunkte die Federspitze in das Tintenfass, zog sie wieder heraus und schüttelte die überschüssige Tinte ab. Sollte sie Sylvia erzählen, dass Peregrine eine unbehagliche Neugierde in Bezug auf sie an den Tag legte? Sollte sie die Schärfe seiner blauen Augen erwähnen, dieses amüsierte Glitzern, das merkwürdige und verstörende Gefühl, dass er mit seinen eindringlichen Blicken manchmal mehr erkannte, als er eigentlich sollte? Und das noch merkwürdigere und verstörendere Gefühl, dass sie, Alexandra Douglas, mehr Zeit in seiner Gesellschaft verbringen wollte, als ihr eigentlich guttat? Dass sie ihm auf Augenhöhe begegnen - und ihr wahres Selbst zeigen wollte, wenn sie sich in seiner Nähe aufhielt?
Nein, all das durfte sie Sylvia nicht erzählen. Nicht in einem Brief - denn es war viel zu kompliziert, um es niederschreiben zu können. Sie verstand es ja selbst nicht einmal. Warum nur verspürte sie diesen Drang, alles zu riskieren, indem sie sich auf irgendein Rededuell einließ, das eigentlich gar nicht zu Alexandra Hathaways Charakter passte, zu Alexandra Douglas hingegen sehr wohl? Was hatte dieser Peregrine Sullivan an sich, dass er den Teufel in ihr geweckt hatte, diese funkelnde
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