Sinnliche Versuchung in Italien
ihm. „Du ziehst noch ein bisschen das Bein nach. Ich bin so froh, dass es weiter nichts ist.“
„Ich auch. Wenn nur die Schmerzen schon vorüber wären. Nimm Platz.“
Doch Guilio blieb stehen und betrachtete den gedeckten Tisch: die Schalen mit Rührei, Früchten und Joghurt, den Brotkorb und die Teller voll Schinken und Käse. „Da läuft mir wirklich das Wasser im Mund zusammen. Du hast sogar Margeriten gepflückt. Sieht aus wie der Sonntagsfrühstückstisch deiner Mutter.“
Lucca musste schlucken. „Wie geht’s bei der Arbeit?“
Sein Vater fuhr sich über das Kinn. „Deine Onkel und ich können nicht klagen. Wir haben mehr zu tun denn je und könnten Hilfe gebrauchen. Aber ich weiß ja, dass du kein Interesse hast, in das Familienunternehmen einzusteigen.“
„Trotzdem freue ich mich, wenn es floriert, papà . Schon allein deshalb, weil du dann bester Laune bist.“
Guilio lachte. „Aha, du willst gleich zur Sache kommen. Es ist dir also ernst mit der Landwirtschaft.“
„Ja. Deshalb brauche ich mehr Felder. Ich habe nämlich vor, die besten Früchte in Ravello zu produzieren.“
„Du willst also in die Fußstapfen deines Großvaters treten?“
„Ja. Von ihm und mamma habe ich viel gelernt und teile ihre Liebe zum Landleben. Aber ich habe auch viel von dir in mir. Mich faszinieren schnelle Autos und Flugzeuge, auch von Technik verstehe ich eine Menge. Trotzdem …“
„Du hast mich gehasst, weil ich Maria so kurz nach dem Tod deiner Mutter geheiratet habe“, unterbrach ihn sein Vater. „Wahrscheinlich hätte ich das auch getan, wenn ich an deiner Stelle gewesen wäre.“
Die Feststellung verblüffte Lucca. Ja, sie irritierte ihn. „Das Kapitel haben wir doch längst abgeschlossen, papà .“
„Du vielleicht. Ich nicht. Seit Jahren möchte ich mit dir darüber sprechen. Erst fand ich es dafür zu früh. Du warst ja erst vierzehn. Ich wollte dich nicht belasten und dachte auch, du verstehst es vielleicht noch nicht. Dann hielt ich es für zu spät, weil du dich von mir abgewandt hattest. Vielleicht ist nun doch der richtige Zeitpunkt gekommen, das Versäumte nachzuholen.“
„Du hast recht“, sagte Lucca. „Ich lerne gerade, wie gut es tut, das auszusprechen, was mich bedrückt.“
„Nach dem Tod von Donata war ich völlig hilflos. Mein Leben war plötzlich leer geworden, und daran drohte ich zu verzweifeln. Natürlich wusste ich, dass es dir ähnlich erging. Schließlich hattest du viel zu früh deine Mutter verloren. Doch ich fand keinen Weg, um mit dir gemeinsam zu trauern. Vor allem aus Furcht, dadurch alles noch schlimmer zu machen für dich. Du hattest ja nur noch mich, deinen Vater, und deshalb glaubte ich, stark sein zu müssen, um dir Halt geben zu können.“
„Oh, papà .“ Lucca fuhr sich über die Stirn. „Du bist mir damals so fremd vorgekommen. Als berührte dich gar nichts mehr.“
„Ja, ich war wirklich wie versteinert“, gab sein Vater zu. „Deine Mutter und ich kannten uns von Kindesbeinen an. Uns verband eine Liebe, die langsam gewachsen war. Unsere Ehe war ausgesprochen harmonisch, denn wir gingen gemeinsam durch dick und dünn.
Und mit deiner Geburt wurde unser Glück vollkommen. ‚Unser Leben ist gesegnet, Guilio‘, sagte sie, als du, unser einziges Kind nach all den vergeblichen Versuchen, Eltern zu werden, endlich gesund auf der Welt warst.“
„Sie hatte Fehlgeburten?“
„Ja, vier.“
Davon hatte Lucca nichts geahnt.
„Wir hatten uns viele Nachkommen gewünscht. Deshalb nannten wir dich unser Ein und Alles. Donata war eine hingebungsvolle Mutter. Sie liebte dich abgöttisch. Manchmal war ich fast ein bisschen eifersüchtig.“
Das Geständnis seines Vaters erschütterte Lucca.
Nach langem Schweigen räusperte sich Guilio. „Deine Mutter kannte Maria von der Schule her und ich von dort deren Mann. Sie war etwas früher verwitwet als ich. Ich wusste, wie sehr sie unter dem Tod ihres Partners litt, denn wir sahen uns jeden Sonntag in der Kirche und begannen, beieinander Trost zu suchen und zu finden. Wir trauerten gemeinsam. Sie um ihren Mann, ich um meine Frau. Wir waren ehrlich zueinander. Vor allem sprachen wir über unsere Kinder. Beide machten wir uns Sorgen um sie, weil sie einen Elternteil verloren hatten. Und irgendwann entschlossen wir uns, der Kinder wegen eine Vernunftehe einzugehen.“
Lucca schloss die Augen. Er glaubte seinem Vater.
„Wir empfanden Freundschaft füreinander und respektierten uns. Doch mit der Zeit
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