Sinnlicher Maskenball in Venedig
Rücken. Sein Duft machte sie ganz benommen. Und erinnerte Tina schmerzlich an ihre gemeinsame Nacht.
Die Dame am Empfang sah nicht einmal auf. Wortlos reichte sie ihr ein Klemmbrett mit einem Formular für sie zum Ausfüllen.
„Wir werden erwartet“, erklärte Nico der Dame knapp. „Und ich bin ein viel beschäftigter Mann.“
Erst jetzt sah sie zu ihnen auf. Ihre Augen weiteten sich, als sie erkannte, wer da vor ihr stand.
„Signore Gavretti … Entschuldigen Sie vielmals!“ Hastig sprang sie von ihrem Stuhl auf. „Bitte folgen Sie mir.“
Nun ging alles ganz schnell. Tina wurde in den Ultraschallraum geführt und musste sich ausziehen. Nachdem der Arzt die Bilder gemacht hatte, ging es weiter in das Sprechzimmer, wo Nico bereits auf sie wartete.
Kurz darauf hatten sie die endgültige Gewissheit. Die Bilder ergaben, dass Tina schwanger war, was sie nicht wirklich überraschte. Der Arzt klärte sie ausführlich darüber auf, worauf sie zu achten hatte und was in den nächsten Wochen passieren würde.
Als sie die Praxis verließen, schwirrte Tina der Kopf. Einem Impuls folgend, legte sie die Hand auf ihren flachen Bauch, als wollte sie das winzige Leben darin beschützen.
Ein Baby. Sie würde also tatsächlich ein Baby bekommen. Auf dem Ultraschallbild hatte sie den winzigen Fötus sogar sehen können. Auch Nico hatte einen Blick darauf werfen dürfen. Er hatte im ersten Moment ziemlich geschockt gewirkt, als könnte er es noch immer nicht glauben.
Auf dem Rückweg schwiegen sie. Es herrschte dichter Feierabendverkehr, Autofahrer hupten und gestikulierten. Im Inneren des Wagens war es auffällig still. Irgendwann fiel Tina auf, dass sie nicht in Richtung ihres Hotels fuhren.
„Ich bin müde, Nico. Fahren wir nicht zum Hotel?“, erkundigte sie sich matt. „Ich wollte jetzt eigentlich packen.“
Lucia hatte ihr eine SMS geschrieben, doch Tina hatte noch keine Zeit zum Antworten gehabt. Sie war etwas enttäuscht, weil ihre Freundin keine Zeit hatte, sich mit ihr zu treffen.
Seine Miene blieb unbewegt. Er wirkte so kühl und unnahbar wie immer. Unwillkürlich begann Tina bei seinem Anblick zu frösteln.
„Deine Koffer sind bereits gepackt“, erklärte er und sah auf die Uhr. „Wahrscheinlich sind sie bereits angekommen.“
Seine Worte weckten Panik in ihr. „Angekommen? Wo? Was meinst du damit? Ich fahre morgen nach Capri. Ich brauche meine Sachen heute Abend.“
„Ich fürchte, deine Pläne haben sich geändert, cara .“ Er wandte den Kopf und sah sie durchdringend an. „Wir werden zum Castello di Casari fahren.“
Tina konnte das Blut in ihren Ohren rauschen hören. „Ich kann nicht mitkommen“, erklärte sie hastig. „Ich bin bereits verabredet. Meine Freunde auf Capri erwarten mich.“
„Nun, ich fürchte, dann wirst du sie enttäuschen müssen“, erklärte er unbeeindruckt, während er auf seinem Handy herumtippte. „Du bist jetzt auf dich allein gestellt, Valentina. Renzo und die liebe Faith sind in der Karibik, und deine Mutter ist auch im Urlaub.“
Tina verspannte sich. „Ja, meine Familie ist gerade nicht da. Aber ich habe Freunde, die auf mich warten.“
Eigentlich waren es bloß gute Bekannte. Und sie warteten nicht wirklich auf sie. Wenn sie ehrlich zu sich war, würde es ihnen wahrscheinlich nicht einmal auffallen, wenn sie sich morgen nicht bei ihnen melden würde.
Sie war schon immer eine Einzelgängerin gewesen. Und sie wollte es auch gar nicht anders haben. Darum mochte sie wahrscheinlich Mathe und Zahlen so gern. Solange sie mit irgendwelchen komplizierten Gleichungen beschäftigt war, musste sie sich nicht um die Welt da draußen kümmern.
„Dann wirst du sie wohl anrufen und ihnen sagen müssen, dass deine Pläne sich geändert haben.“
„Ach ja? Und wie lange werde ich verhindert sein?“, fragte Tina entrüstet.
Nicos Lächeln war eisig. „Auf unbestimmte Zeit.“
4. KAPITEL
Das Castello di Casari war eine alte Familienfestung. Mit seiner isolierten Lage auf der kleinen Insel mitten im Lago di Casari galt sie als uneinnehmbar. Nico betrachtete die Anlage aus der Luft. Mächtig hob sie sich aus dem blanken Fels empor. Sofort ergriff ihn jenes überwältigende Gefühl von Einsamkeit und Verzweiflung, das er jedes Mal verspürte, wenn er hierher zurückkehrte.
Während der letzten Jahre war die Festung komplett modernisiert worden. Ihr mittelalterlicher Charakter war erhalten geblieben, aber das Gebäude verfügte nun über jeglichen modernen
Weitere Kostenlose Bücher