Sinnliches Erwachen
mischte sich in den Schmerz. „Aber sie wollte mit Freunden ausgehen, und ich wollte mich dranhängen, um aufzupassen, dass ihrnichts passiert, also haben wir unsere Eltern überredet, ihn mitzunehmen zu ihrer Verabredung im Restaurant.“
„Ihr konntet es nicht ahnen.“ Aber sie gibt sich die Schuld, dachte er, und das ist eine schwere Bürde. Eine, die er ihr so gern von den Schultern genommen hätte. Doch das konnte er nicht. Dazu war nur sie in der Lage. Und wenn sie es nicht tat, wenn sie scheiterte, würde diese Bürde sie irgendwann erdrücken.
Das wusste er aus eigener Erfahrung.
„Aber das ist es ja gerade. Ich habe es geahnt. Ganz tief drinnen, genau wie bei dir, hatte ich so ein Gefühl. Ich wusste, dass ich ihn bei mir behalten sollte. Und ich glaube, Laila wusste das auch. Das ist der Grund, warum sie ist, wie sie ist. So entschlossen, im Hier und Jetzt zu leben und nicht zurückzublicken. Sie will nicht an die Rolle denken, die wir bei Robbys Tod gespielt haben.“
„Genauso wenig wie du.“
„Ich weiß. Jahrelang haben wir versucht, so zu tun, als hätte es ihn nie gegeben. So war es leichter, denke ich. Aber es war nicht fair ihm gegenüber, er hat was Besseres verdient. Mittlerweile weiß ich das.“
Vielleicht lag es daran, dass Koldo in den himmlischen Archiven keinerlei Unterlagen über Robby gefunden hatte. Was man auf der Erde verdrängte, verlor man auch im Himmelreich.
„Du musst dir verzeihen. Hast du das nicht auch zu mir gesagt?“ Koldo streckte den Arm aus – es ging schon wesentlich leichter, seine Kräfte kehrten allmählich zurück – und legte ihr die Hand in den Nacken. Dann versuchte er, Nicola zu sich herunterzuziehen, doch zum ersten Mal in ihrer Beziehung leistete sie Widerstand.
„Ich weiß, dass du dieses Weib nicht geheiratet hast“, sagte sie. „Axel hat’s mir erzählt. Aber du hast diesem tätowierten Kerl gesagt, du würdest sie nehmen, und du lügst nie.“
War sie eifersüchtig? Irgendwie hoffte er es. Um ehrlich zu sein, gefiel ihm die Vorstellung. „Du hast meine Worte genau richtig wiedergegeben. Ich sagte, ich nehme sie . Er hat angenommen, es wäre Sirena, von der ich spreche – aber in Wahrheit habe ich von dir geredet.“
Ihre Augen weiteten sich. „Du willst mich … heiraten?“
Wollte er? Nein. Nein, das durfte er nicht. Ich bin verdorben, ermahnte er sich. „Eine Frau zu nehmen ist nicht gleichbedeutend damit, sie zu heiraten.“
„Oh“, sagte sie und ließ die Schultern sinken.
Endlich zog er sie ganz an sich. Sie machte es sich auf seiner Brust bequem und schmiegte den Kopf in die Kuhle an seinem Hals, genau wie es ihr gefiel. „Du bist enttäuscht?“ Warum? Und warum machte diese Reaktion ihn so froh? Wollte er, dass sie mehr von ihm wollte?
„Ich? Ich bin froh, dass alles gut ausgegangen ist.“
„Weil ich besser bin als dein anderes Date?“
„Um Längen.“ Sie spielte mit seinem Bart. „Ich wünschte, ich könnte dich über dein letztes Date ausfragen.“
„Warum?“
„Um rauszufinden, wo ich so stehe auf deiner Rangliste.“
„Um dir das zu sagen, brauche ich keine Erfahrung. Schlichte Beobachtung beweist, dass du für mich die Einzige bist.“
„Und was genau hast du da beobachtet?“ Wenigstens war ihr Tonfall jetzt lockerer.
„Über die Jahrhunderte habe ich viele Frauen zu ihren Freundinnen sagen hören, ein Mann müsste sie akzeptieren, wie sie seien, oder er hätte sie nicht verdient. Aber wenn diese Frau ein lügendes, betrügendes Lästermaul ist, grausam zu allen in ihrerUmgebung, oft aufgebracht, oft hasserfüllt, dann kann er sie natürlich nicht akzeptieren. Er ist ohne sie besser dran.“
Ihr entschlüpfte ein ersticktes kleines Lachen. „Da ist was dran, aber dasselbe gilt auch für Männer.“
„Ja.“
„Also … woher weißt du, dass ich nichts davon bin?“
Meinte sie das ernst? „Ich habe gesehen, wie du mit deiner Schwester umgehst, wie du jederzeit ihre Bedürfnisse über deine eigenen stellst. Du hast Zeit mit Axel verbracht, ohne ihm den Hals umzudrehen – das wäre für jeden eine Herausforderung. Und die Art, wie du zu mir bist … gütig, warmherzig, fürsorglich, aufmerksam, hilfsbereit, rücksichtsvoll, mitfühlend, liebevoll …“
Da lachte sie. „Im Grunde genommen bedeuten diese Wörter doch alle das Gleiche.“
„Wunderschön, exquisit, atemberaubend, bezaubernd, liebreizend, umwerfend, betörend …“
„Du willst mich also, hm?“, fragte sie
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