Sinnliches Erwachen
Das schmerzerfüllte Stöhnen einer Frau drang an seine Ohren.
Ein Stöhnen, das er wiedererkannte. Nicht die Stimme seiner Mutter.
Nicola?
Er versuchte, sich aufzusetzen, und anstelle der sanften Hände spürte er nun starke, schwielige Finger, die ihn gröber anfassten, um ihn wieder hinunterzudrücken.
„Er wollte mir nicht wehtun“, sagte die Frau.
Ja, Nicola. Seine Nicola.
Hatte sie mit ihm gesprochen? Oder war da noch jemand im Zimmer?
Natürlich war noch jemand im Zimmer. Die Hände, die ihn gebremst hatten, gehörten einem Mann. Ihm fielen die Drohungen seines Vaters gegen Nicola wieder ein …
Koldo wehrte sich gegen den Mann, der ihn festhielt. Er schaffte es, die Finger um harte Stahltrossen zu legen – Arme? Mit aller Macht stieß er sie von sich. Es gab ein lautes Krachen, Staub erfüllte die Luft.
„Ganz locker“, befahl eine Männerstimme.
Noch eine Stimme, die er kannte. Nicht die seines Vaters. Aber es war auch nicht Nicola, also war es ihm egal. Koldo wollte zu ihr, und um das zu schaffen, würde er alles tun. Er schlug und schlug und schlug, bis der Mann zu guter Letzt aufhörte, ihn nach unten zu drücken, und stattdessen zurückschlug. Doch kurz darauf bekam er etwas Weiches zu fassen – Federn – und riss daran.
Ein Heulen zerriss die Luft.
Ein weiches Gewicht landete auf Koldo. Er griff nach oben, um es abzuwerfen, doch dann stieg ihm Nicolas süßer Duft in die Nase.
„Beruhig dich“, bat sie und strich ihm mit den Fingern über den Kiefer. „Du musst dich beruhigen. Okay?“
„Sicher?“
„Du bist in Sicherheit. Ich bin in Sicherheit. Wir sind in deinem Haus in Panama.“
Ihr vertraute er, und schließlich entspannte er sich, ließ sich in die Matratze sinken, schlang die Arme um Nicola und drückte sie an sich. Sog ihren Duft in sich auf, labte sich an dieser köstlichen Mischung aus Zimt und Vanille.
„Jetzt hab ich ‘ne kahle Stelle“, beschwerte sich die Männerstimme. Axel. „Weißt du, wie scheiße das ist?“
„Ich hab ein gebrochenes Rückgrat“, ertönte eine weitere Stimme. Malcolm.
„Als wär’ das ernsthaft schlimmer. Du kannst vielleicht nie wieder laufen, aber wenigstens siehst du dabei gut aus.“
„Du findest, ich sehe gut aus?“
„Ich finde, du bettelst geradezu darum, einen Dolch in die Eingeweide zu kriegen.“
Schritte. Zwei Paar, und sie verließen das Zimmer. Anscheinend war Malcolm doch nicht querschnittsgelähmt.
„Bleib“, sagte Koldo an Nicola gewandt.
„Versprochen“, flüsterte sie. „Jetzt ruh dich aus.“
Ihr konnte er nichts abschlagen, und so sank er zurück in die Dunkelheit.
Blendendes Licht drang in sein Bewusstsein. Koldo war froh, auch wenn das Licht in Begleitung von Schmerz gekommen war. Schmerzen war er gewohnt. Doch gerade, als er sich ganz an die Oberfläche gekämpft hatte, wo Nicolas tröstliche, herrliche Stimme wartete, zerrte es ihn zurück in die wartende Dunkelheit.
Wie viel Zeit verging, wusste er nicht.
Wieder versuchte es das Licht, hob ihn empor, höher und höher.
„… dir sicher, dass er sie nicht heiratet?“, fragte Nicola.
„Absolut“, antwortete Axel.
„Aber er lügt nie.“
„Er hat auch nicht gelogen.“
„Argh! Wie soll das gehen?“
„Frag ihn.“
Dunkelheit.
Licht.
„… und die ganze Zeit kommen Gesandte vorbei, um nach dir zu sehen. Manchmal bekoche ich sie, und allmählich werde ich besser.“ Ein leises Lachen liebkoste seine Ohren. „Es bleibt nie was übrig, und ich …“
Die Lautstärke schraubte sich hinunter, bevor sie zu Ende sprechen konnte, und die Dunkelheit kehrte zurück.
Nein! Nein, er wollte hören, was sie zu sagen hatte … Jedes einzelne Wort …
Das nächste Mal, als das Licht sich blicken ließ, hörte er: „Ich erfahre gerade die interessantesten Sachen über dich. Früher hattest du Haare, aber eines Tages, sogar erst vor ziemlich kurzer Zeit, hattest du plötzlich keine mehr. Früher hast du so gut wie gar nicht geredet. Magnus hat gesagt, man musste dir die Worte förmlich aus der Nase ziehen, aber jetzt redest du mehr, als klug ist. Seine Worte, nicht meine. Elandra behauptet, du gehst gern Frauenunterwäsche kaufen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass das ein Witz war.“
Er knirschte mit den Zähnen, und mit einem innerlichen Aufbrüllen zerriss er das Band, das ihn an diese allumfassende Dunkelheit fesselte.
Seine Lider öffneten sich.
Anders als zuvor gab es diesmal keine verschwommenen Konturen. Er sah Nicola neben
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