Sinnliches Erwachen
mitgebrachten Utensilien aufs Bett. „Wir sind zusammen.“ Na ja, zumindest waren sie das gewesen– v. S. Vor Sirena.
„Schön für dich, aber das überzeugt mich nicht. Nur dass du’s weißt: Ich werde dir schlimmere Schmerzen zufügen, als du je erlebt hast, wenn du ihm auch nur die kleinste zusätzliche Verletzung zufügst.“ Mit diesen Worten reichte er ihr einen Dolch. Statt den Raum zu verlassen, lehnte er sich dann zurück und verschränkte die Arme vor der mächtigen Brust, als würde er nur darauf warten, dass sie Mist baute.
Behutsam zerteilte Nicola mit der Dolchspitze von oben den Stoff des Gewands, sorgfältig darauf bedacht, Koldos Haut nicht zu verletzen. Doch als sie am unteren Saum des Gewands angekommen war, hatte sich der obere Teil schon wieder zusammengefügt.
„Hilf mir mal“, forderte sie.
Der Krieger senkte die Mundwinkel, als gefiele es ihm nicht, sich von jemand anders sagen zu lassen, was er zu tun hatte. „Ich schätze, dafür ist mir dein Mann noch einen Gefallen schuldig.“
Noch einen? „Ich bezahle dich für deinen Gefallen. Wie wäre das?“
„Du hast nichts, was mich interessiert.“ Er beugte sich vor und riss das Gewand entzwei, dann zerrte er den Stoff unter Koldo hervor.
„Warum hast du mir dann gerade geholfen?“ Sie ließ das Messer fallen und schnappte sich das Gewand, bevor der Mann es wegwerfen konnte. Dann breitete sie es über Koldos nackte Mitte. Er war übersät mit Bissspuren, Schnitten, Blutergüssen und Kratzern. An seinem Hals hatten sich vier kleine halbmondförmige Wunden schwarz verfärbt und eiterten vor sich hin.
„Hab ich dir doch gesagt. Dein Mann schuldet mir einen weiteren Gefallen.“
Zuhören war nicht sein Ding, oder? „Also, wie heißt du eigentlich?“
„Malcolm.“
Nicola reinigte jede einzelne Wunde, und mit denen am Hals ging sie besonders vorsichtig um. Trotzdem platzten sie auf, und Eiter sickerte hervor. Eine Infektion kann es nicht sein, dachte sie. Dafür war noch nicht genug Zeit vergangen. Das musste … Gift sein?
Sie griff nach dem Dolch.
Augenblicklich packte Malcolm sie beim Handgelenk und hielt sie auf. „Ich wusste, dass du so was versuchen würdest.“
Warum hatte er dann nicht einfach die Waffe aus ihrer Reichweite entfernt? Um ihre Motive zu überprüfen? „Pass auf, ich will die Wunden ganz aufmachen und …“
Schmerzhaft verstärkte sich sein Griff, bis sie ihre Knochen knacken zu hören meinte.
Ein Aufschrei teilte ihre Lippen.
Harte Schritte polterten, und dann war Axel im Zimmer und riss Malcolm weg von ihr.
„Was machst du da, Mann?“, fuhr er den Krieger an.
„Sie will ihm den Hals aufschneiden!“
„Aus gutem Grund“, erklärte Nicola und seufzte. „Ich will die Wunden drainieren, und um das zu tun, muss ich sie öffnen. Ich bin ganz vorsichtig.“ Vorsichtiger, als sie je zuvor gewesen war. Dieser Mann bedeutete ihr mittlerweile sehr viel. Mehr, als ihm vermutlich klar war.
„Du hast nicht gesehen, wie er der Frau hinterherhechelt“, beschwichtigte Axel seinen Freund, während er ihn in Richtung Tür schob. „Wenn doch, wüsstest du, dass sie bei ihm jederzeit Hand anlegen darf – egal, was sie vorhat.“
Hinterherhecheln? Schön wär’s . „Könnt ihr jetzt endlich mal hier verschwinden? Ihr lenkt mich ab, und ich muss mich konzentrieren. Ich bin vielleicht kein Arzt, aber ich hab jede Folge Dr. House geguckt. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich weiß, was ichtue.“
Ob sie gehorchten oder nicht, wusste sie nicht. Sie setzte sich neben Koldos Hüfte, beugte sich vor und setzte den Dolch an.
25. KAPITEL
Koldo kämpfte sich aus der Dunkelheit ans Licht. Auch wenn er völlig gelähmt war, sein Kopf wie leergefegt, war er nicht bewusstlos. Er spürte sanfte Hände über seine Haut streichen und das Stechen lindern, das ihn so quälte. Als das Streicheln aufhörte, erfasste ihn eine Woge des Zorns und gab ihm die Kraft, die er brauchte, um sich endlich wieder zu bewegen.
Er öffnete die Augen, doch seine Sicht war verschwommen. Blinzel, blinzel. Stück für Stück begannen die Dinge klarer zu werden. Blinzel, blinzel. Er sah das Glitzern einer Klinge. Sah eine Frau diese Klinge auf ihn richten, auf seinen Hals zielen.
Seine Mutter. Seine Mutter war entkommen, war hier, war entschlossen, ihn zu töten, während er zu schwach war, um sich zur Wehr zu setzen.
Mit einem Grollen aus den Tiefen seiner Seele holte er aus, schlug das Messer und den Arm, der es hielt, zur Seite.
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