Sinnliches Erwachen
wurde das Herz schwer. Beziehungsweise an ihrer mangelnden Abwehr . Wie würde Nicola reagieren, wenn ihre Schwester starb? Und Laila würde sterben. Statt gegen das Dämonengift anzukämpfen, hatte sie nur noch mehr in sich aufgenommen.
„Die Dämonen, die sie gequält haben …“, setzte Koldo an.
„Sind weg“, fiel ihm Nicola ins Wort. „Das weiß ich, aber …“
„Nein“, unterbrach Koldo sie, innerlich zerrissen. „Sie sind in ihr, Liebste.“
Nicola versteifte sich. „Nein. Nein!“
„Es tut mir leid.“
Heftig schüttelte sie den Kopf und verlangte: „Gib ihr noch mal dieses Wasser.“
„Ich kann ihr nicht helfen, wenn sie nicht bereit ist, sich selbst zu helfen.“
„Ich rede mit ihr. Ich mache ihr das klar.“ Behutsam rüttelte sie ihre Schwester, versuchte, sie aufzuwecken. „Hör mir zu, Laila, okay? Du musst mir zuhören.“ Sichtlich verzweifelt, rüttelte Nicola sie fester.
Auch wenn die einzige Antwort ihrer Schwester ein schmerzerfülltes Stöhnen war, begann Nicola zu reden, erzählte Laila alles, was sie über spirituelle Kriegsführung und den Kampf gegen Dämonen gelernt hatte. Sie redete und redete und redete, doch Lailas Zustand blieb unverändert.
Irgendwann brach Nicola die Stimme. Dicke, schwere Tränen rollten ihr über die Wangen. Sie wandte sich um, blickte zu Koldo auf. „Sag mir, was ich tun soll“, krächzte sie. „Bitte, sag mir einfach, was ich tun muss, um ihr zu helfen, und ich tu’s.“
In spiritueller Hinsicht war Laila nicht einen Deut stärker als an jenem Tag, als er sie im Krankenhaus entdeckt hatte. „Nicola …“
„Nein. Sag’s nicht. Sag nicht, es gäbe nichts, was du tun kannst.“ Mit dem Handrücken wischte sie sich die Wangen ab. „Es muss etwas geben.“
Er hasste es, sie so zu sehen, so gebrochen, so traurig. Ihre Hoffnung schwinden zu sehen. Das ertrug er nicht.
Und noch hatte er nicht alles in seiner Macht Stehende versucht, um Laila zum Zuhören zu bewegen, nicht wahr? Er hatte seine Anstrengungen auf Nicola konzentriert. Er hatte zugelassen, dass sein Leben ihn ablenkte, hatte jede freie Minute bei seiner Mutter oder mit der Jagd nach seinem Vater verbracht – obwohl er gewusst hatte, in welcher Gefahr Laila sich befand.
Wenn er es nicht ein letztes Mal versuchte, könnte das eine Mauer zwischen ihm und Nicola errichten. Oh, natürlich würde sie ihm jegliches Unrecht vergeben, das er in ihren Augen begangen hätte. Wenn sie überhaupt Schuld bei ihm sah. Doch jedes Mal, wenn sie sich an diesen Moment erinnerte, würde er in der Rolle des Versagers dastehen.
In ihren Augen hätte er zu schnell aufgegeben.
Hätte nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft.
Und sie hätte recht damit.
Entsetzen breitete sich in ihm aus, aber trotzdem wandte er sich an Zacharel. „Ich muss gehen. Beschütz die Frauen.“
„Was hast du …“ Doch die Antwort musste seinem Anführer gekommen sein, denn er nickte. „Bist du dir sicher, dass du das tun willst?“
„Das bin ich.“
Ein Nicken jenes dunklen Kopfs. „Wirst du danach wieder hierherkommen?“
„Nur, um dir die Phiole zu geben. Wenn ich bleibe, wird sie versuchen, mir zuhelfen.“ Und das würde alles zunichtemachen, was er zu tun im Begriff war.
Auch das verstand Zacharel sofort. „Ich kann deine Essenzia überall auf ihrer Haut sehen. Du hast Nicola zu der Deinen gemacht.“
„So ist es.“
Wieder nickte er Koldo ernst zu. „Ich werde auf die Frauen aufpassen.“
„Danke. Und … danke für dein Geschenk“, sagte er und breitete die Flügel aus. Dann wandte er sich an Nicola. „Ich muss fort, aber wenn ich zurückkomme, werde ich das Wasser des Lebens mitbringen. Es wird ihr ein paar zusätzliche Wochen verschaffen, und wir können von Neuem versuchen, sie die Wahrheiten zu lehren, die sie verstehen muss, um zu kämpfen und zu siegen.“
Hoffnung schimmerte in ihren Augen auf, und er gab ihr einen flüchtigen Kuss, bevor er sich in das Reich des Rats teleportierte. Sie hatten keine Zeit zu verlieren.
Der reich verzierte Palast aus silbrigem Gestein erhob sich in zahlreichen Stockwerken über eine steile Klippe, und tiefrote Turmzinnen ragten über den einzelnen Etagen in die Höhe. Schneebedeckte Berge lagen im Hintergrund, von deren Kuppen der Nebel hinabrollte.
Als er das letzte Mal hier gewesen war, hatte er sein Haupthaar und die Haut von seinem Rücken verloren.
Heute würde er wahrscheinlich seine Flügel verlieren.
Koldo stapfte die Stufen hinauf, die
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