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Sintflut

Sintflut

Titel: Sintflut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk Sienkiewicz
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Sie sollen aber wissen, daß die Rettung des Vaterlandes in den Händen des Fürsten und der Schweden liegt. Wer anders denkt und gegen den Fürsten auftritt, der stürzt das Vaterland ins Verderben. – Ich habe jetzt keine Zeit, Ihnen das weiter zu erklären; ich muß abreisen. – Glauben Sie mir, daß ich kein Verräter, kein käuflicher Mensch bin! Sie haben mich ungerecht von sich gewiesen. Sie haben mich ungerecht zum Tode verurteilt. Das alles schwöre ich Ihnen zu. – Vergeben Sie mir, wenn ich Sie gekränkt habe, wie ich auch Ihnen von ganzem Herzen vergebe!«
    Panna Alexandra war inzwischen ganz zu sich gekommen.
    »Sie haben recht; ich habe Sie ungerecht verurteilt. Können Sie mir das wirklich verzeihen?«
    »Und ob ich dir das verzeihe!« rief Kmicic begeistert. »Ich würde dir selbst meinen Tod verzeihen!«
    »Möchte Gott Sie auf den rechten Weg zurückführen!«
    »Genug, genug,« sprach Kmicic fieberhaft. »Nichts mehr davon, sonst könnte von neuem zwischen uns Zwietracht entstehen. Ob ich irre oder nicht, sprich nicht mehr darüber! Jeder von uns beiden handelt nach seinem Gewissen, und Gott sieht seine reinen Absichten. Wie gut ist es, daß ich hergekommen, um mich von dir zu verabschieden. Gib mir deine Hand; um mehr kann ich nicht bitten. – Morgen wirst du mich nicht mehr sehen, nicht übermorgen, nicht nach einem Monate, vielleicht niemals wieder. – Ach, Alexandra, mir ist ganz wirr im Kopfe, Alexandra, sollten wir uns wirklich nie wiedersehen!«
    Große Tränentropfen perlten über ihre Wangen.
    »Pan Andreas, verlassen Sie die Verräter! Und alles kann noch gut werden zwischen uns!«
    »Still! Still!« antwortete Kmicic mit erstickter Stimme. »Es kann nicht sein! – Ich kann nicht! – Bitte mich nicht mehr darum. Viel tausendmal lieber möchte ich jetzt sterben, – das wäre weniger Qual! – Mein Gott, warum muß ich so leiden? Leb' wohl, zum letztenmal leb' wohl! Möchte der Tod mich von all dem Jammer erlösen. Weine doch nicht! Ich verliere den Verstand darüber, wenn du weinst!«
    Er nahm sie in seine Arme und überhäufte sie mit Küssen; dann fiel er zu ihren Füßen nieder, sprang schnell wie von Sinnen wieder auf und stürzte aus dem Zimmer mit den Worten:
    »Selbst der Teufel kann mir nicht mehr helfen!«
    Alexandra sah durchs Fenster, wie er eiligst aufs Pferd sprang, wie die Schotten am Tore vor ihm präsentierten. Dann schloß sich das Tor hinter ihm; die Wachen kehrten auf ihre Plätze zurück.
    Nacht, dunkle Nacht senkte sich auf die Erde nieder. – –

11. Kapitel.
    Eine ganze Zeit lang reiste Kmicic, ohne irgend etwas Besonderes zu erleben: denn die ganze Umgegend, die er durchritt, stand unter dem Einflusse Radziwills.
    Die Städte und Dörfer waren von den Bannern des Hetmans oder von schwedischen Reiterabteilungen besetzt. Daher war es im ganzen Lande auf dem rechten Ufer der Wilia ruhig.
    Nichtsdestoweniger beeilte sich die ganze Bevölkerung, in Erwartung des ausbrechenden Krieges, ihr Hab und Gut und sich selbst irgendwo zu verbergen. Pan Andreas begegnete überall verlassenen Dörfern mit unbelebten Straßen und Häusern, deren Fenster fest zugenagelt waren. Nur auf den Waldwegen und breiten Landstraßen herrschte Bewegung und reges Treiben. Alle Einwohner, besonders die, die am linken Ufer der Wilia ihre Besitztümer zu liegen hatten, flohen. Fortwährend stieß Kmicic auf eine Menge Bauern, die mit ihren Frauen, Kindern, Schafen, Kühen, Pferden und allen beweglichen Habseligkeiten fortwanderten. Sie zogen es vor, in den Wäldern besserer Zeiten zu warten, als in den Dörfern stündlich der Gefahr ausgesetzt zu sein, von Feindeshand ermordet zu werden. Doch nicht allein der Tod drohte den Bewohnern der vom Feinde besetzten Dörfer; man marterte sie oft auch auf die abgefeimteste, niederträchtigste Art. Viele Flüchtlinge, die ihren Verstand verloren hatten, erfüllten mit ihrem fürchterlichen Geheul die Stille der Wälder.
    Am dritten Reisetage hatte Kmicic den Niemen hinter sich gelassen. Von nun an durchreiste er eine noch viel wildere, mit großen Wäldern bewachsene Gegend. Auch hier traf er eine Menge Flüchtlinge und viele Schlachtschitzen, die ausnahmslos nach Preußen hinüberwanderten. Oft stieß er auf Räuberbanden, die sich die Lage des Landes zunutze machten und schutzlose Häuser, Dörfer und Reisende überfielen, vorsichtig jede Begegnung mit den Truppen vermeidend. Viele dieses Raubgesindels waren von der Schlachta besiegt und erhängt

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