Sintflut
worden und zierten die Bäume, die am Wege standen.
Um Pilwiszki herum war es etwas ruhiger, obschon die Einwohner Kmicic erzählten, daß sie einige Tage zuvor einen Kosakenüberfall auszuhalten hatten. Fast wären alle dabei umgekommen, wenn nicht ein vorüberziehendes polnisches Banner ihnen Hilfe geleistet hätte.
»Was für ein Banner war es denn?« fragte Pan Andreas.
»Das können wir nicht sagen. Ein junger, geschickter Ritter von kleinem Wuchse befehligte es, der es vorzüglich verstand, mit dem Säbel umzugehen.«
»Wolodyjowski wohl?« sagte Pan Kmicic.
»Wolodyjowski oder nicht; möge Gott ihn bald seiner Tapferkeit wegen belohnen und ihn Hetman werden lassen!«
Pan Andreas versank in Gedanken. Augenscheinlich nahm er denselben Weg, den mehrere Tage vorher Wolodyjowski mit seinem Banner genommen hatte. Es fuhr ihm durch den Kopf, daß er mitsamt seinen Briefen möglicherweise in die Hände des kleinen Ritters fallen könnte, und daß damit seiner Mission und der Radziwillschen Sache Gott weiß welcher Schaden erwachsen würde. Er beschloß daher, einige Tage in Pilwiczki zu bleiben, um die Entfernung zwischen sich und dem Laudaer Banner möglichst zu vergrößern. Er machte es sich deshalb in einer Schenke, in der er Quartier nahm, bequem.
Am nächsten Tage stellte es sich heraus, daß er sehr klug gehandelt hatte. Kaum hatte er sich am Morgen angekleidet, als der Schenkwirt die Tür seines Zimmers öffnete und leise hereintrat.
»Ich bringe Euer Gnaden Neuigkeiten,« sagte er.
»Gute?«
»Weder schlechte noch gute. – Wir haben Gäste bekommen. Im Hause des Starosten sind sie abgestiegen. Ein ganzes Regiment Infanterie mit vielen Gespannen und Equipagen und sehr großer Dienerschaft. Wir meinten, der König selbst wäre gekommen.«
»Welcher König?«
Der Wirt begann seine Mütze in der Hand herumzudrehen. »Es ist ja wahr, wir haben jetzt zwei Könige, nur ist keiner von ihnen angekommen, sondern der Fürst-Oberstallmeister.«
Kmicic sprang von seinem Platze auf.
»Der Fürst-Oberstallmeister? Fürst Boguslaw?«
»So ist es, Euer Gnaden. Der Vetter des Wilnaer Wojewoden.«
Pan Andreas schlug vor Erstaunen die Hände zusammen.
»Wenn dem so ist, so möchte ich ihn bald sprechen.«
Der Wirt, der dachte, daß sein Gast mit dem Fürsten Boguslaw bekannt wäre, verbeugte sich noch viel tiefer als gestern und verließ das Zimmer.
Kmicic begann sich eiligst anzukleiden, und in einer Stunde war er schon vor dem Hause des Starosten.
Im ganzen Orte wimmelte es von Soldaten, aber nirgends sah er unter ihnen einen Polen oder auch nur jemand in polnischer Kleidung. Die Offiziere sprachen deutsch oder französisch und sahen neugierig auf Kmicic, der in Samt und Brokat gekleidet war.
Auf dem Hofe des Starosten liefen Edelleute in französischen Kostümen umher, Pagen in Baretts mit Federn, Reitknechte in hohen, schwedischen Stiefeln und Waffenträger in Samtkaftans.
Kmicic ließ sich von dem diensthabenden Offizier, dem er mitteilte, wer er sei, und wozu er gekommen, melden. Der Offizier entfernte sich sogleich und kehrte bald mit der Mitteilung zurück, daß der Fürst den Gesandten des Hetmans möglichst bald sprechen wolle. Er führte Kmicic ins Haus.
Im ersten Zimmer saßen auf Stühlen mehrere Edelleute, die in den verschiedensten Stellungen fest schliefen. Wahrscheinlich waren noch alle von dem zurückgelegten Wege ermüdet. – Vor der Tür des nächsten Zimmers blieb der Offizier stehen; er verbeugte sich tief vor Pan Kmicic und sagte auf deutsch:
»Da ist der Fürst.«
Pan Andreas ging hinein und blieb an der Schwelle stehen.
Der Fürst saß vor einem Spiegel, der in einer Ecke des Gemaches stand, und betrachtete so aufmerksam sein soeben weiß und rot geschminktes Gesicht, daß er dem Eintretenden keine Beachtung schenkte. Zwei Diener knöpften ihm die hohen Reitstiefel zu, und er ordnete mit den Händen sein an der Stirn gerade geschnittenes, goldblondes Haar.
Er war ein Mann von fünfunddreißig Jahren, sah aber noch ein ganz Teil jünger aus. Kmicic, der ihn zwar kannte, betrachtete ihn doch wieder mit Neugierde, denn der Ruhmeskranz, der sich um den Namen des Fürsten Boguslaw wand, und seine äußere Erscheinung übten immer wieder einen neuen Reiz auf ihn aus. Der Fürst war groß und kräftig gebaut, aber auf seinen breiten Schultern saß ein winziger Kopf, der zu einem ganz anderen Rumpfe zu gehören schien. Die zarten Farben und die feinen Züge des Gesichtes glichen
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