Sintflut
in den Augen der Radziwills, in den Augen Alexandras, der Konföderierten und des Königs! – Alles verloren: die Ehre, den Ruhm, die Braut, alles, alles!«
Unerträglicher noch als die Wunde im Gesicht brannten Schmerz und Zorn in seiner Seele.
»Blinder Tor,« flüsterte ihm sein Gewissen zu, »nichts von alledem wäre geschehen, hättest du auf Alexandra gehört und das Vaterland und den König nicht verlassen!«
Aber die stolze Seele, die gewohnt war, sich vieles zu vergeben, wollte ihre Schuld nicht gleich eingestehen. Das alles hatten ja die Radziwills getan. – Sie hatten ihn betrogen, ihn mit Schmach bedeckt, ihn der Ehre und des geliebten Wesens beraubt.
»Rache! Rache!« schrie er zähneknirschend und drohte mit den Fäusten in der Richtung nach Smudien zu.
In seiner Verzweiflung fiel er mitten im Zimmer in die Knie.
»Jesus Christus, dir verspreche ich es,« begann er, »ich werde diese Verräter vernichten und verderben. Ich werde sie verfolgen mit Feuer und Schwert bis zum letzten Atemzuge, bis zur letzten Minute meines Lebens! Amen!« – –
Kmicic' Augen glühten, seine Lippen zitterten, er schlug mit den Armen um sich und sprach laut mit sich selbst. Dann sprang er hoch und rannte unruhig im Zimmer auf und ab. »Christus, hilf mir und rat' mir, was ich tun soll, ich komme um meinen Verstand!«
Plötzlich drang der Schall eines Schusses an seine Ohren.
Kmicic ergriff den Säbel und lief zum Zimmer hinaus.
»Was ist los?« fragte er den Soldaten, der an der Schwelle stand.
»Ein Schuß ist gefallen, Pan Oberst.«
»Wo ist Soroka?«
»Ist fortgeritten, die Briefe suchen.«
»Aus welcher Richtung kam der Schuß?«
»Von da.« Der Soldat zeigte auf den östlichen Teil des Waldes.
Gleich darauf hörte man in der Ferne Hufschläge.
»Achtung!« rief Kmicic.
Aus dem dichten Gestrüpp, das die Hütte umgab, kam eilends Soroka herausgeritten, gefolgt von dem anderen Soldaten. Beide sprangen von ihren Pferden ab und richteten ihre Musketen nach dem Dickicht.
»Wer ist da?« fragte Kmicic.
»Ein Haufen Leute,« antwortete Soroka.
2. Kapitel.
»Sind es viele?« fragte Kmicic.
»Sechs oder vielleicht auch acht,« entgegnete Soroka.
»Dann werden sie mit uns nicht fertig werden.«
»Fertig werden sie mit uns nicht, Pan Oberst. »Doch müßten wir uns einen heranholen und ihn zwingen, uns den Weg zu zeigen.«
»Dazu wird noch Zeit genug sein! Achtung!«
Kaum hatte Kmicic »Achtung« gerufen, als sich aus dem Gestrüpp ein Streifen weißen Rauches erhob, der über Kmicic' Kopf hinwegstrich.
»Sie schießen mit Schrot,« sagte Kmicic. »Wenn sie keine Musketen haben, können sie uns nichts schaden.«
Soroka, der mit der einen Hand seine Muskete hielt, legte die andere trichterförmig vor den Mund und rief:
»Kommt einer von euch aus dem Dickicht heraus, so wird er sofort erschossen!«
Nach einer kleinen Pause erscholl aus dem Dickicht eine Stimme:
»Wer seid ihr?«
»Bessere Leute als solche, die auf den Landstraßen räubern gehen!«
»Mit welchem Rechte habt ihr unsere Hütte besetzt?«
»Ein Räuber, – und fragt nach Recht?«
»Was wollt ihr?«
»So wie wir hergekommen sind, so wären wir auch wieder weggegangen,« sagte Kmicic. »Warum hast du, Dummkopf, denn angefangen zu schießen?«
»Ihr werdet euch nicht hier halten können; abends kommen unsere hundert Mann!«
»Und noch vor Abend kommen zweihundert Dragoner.«
»Ihr seid also Soldaten?«
»Natürlich, – keine Raubmörder. Komm' mal her, es wird dich nicht die Gurgel kosten.«
»Darf man zu zweien kommen?«
»Ja, man darf.«
Bald traten zwei große, breitschultrige Männer aus dem Gebüsche. Der eine ging mit etwas gekrümmtem Rücken und schien schon ziemlich alt zu sein. Beide waren in mit grauem Tuche überzogene Schafpelze gekleidet, wie sie der kleinere Adel für gewöhnlich trägt. Ihre Pelzmützen hatten sie tief bis an die Augen heruntergezogen.
»Ei, zum Teufel!« brummte Kmicic und sah die beiden aufmerksam an.
»Pan Oberst,« rief Soroka, »das sind doch unsere Leute.«
»Und wo ist dein zweiter Sohn, Pan Kiemlicz?« fragte Pan Andreas. »Ist er tot?«
»Mein Gott, Vater, das ist ja der Pan Oberst!« rief der jüngere der beiden Männer aus.
»Jesus! o süßer Jesus!« legte der Alte los, »das ist also Pan Kmicic?«
»Aha, Nichtsnutzige!« lächelte Pan Andreas, »so empfangt ihr mich?«
»Kommt alle her! kommt!« brüllte der Alte.
Schnell kamen die anderen aus dem Dickicht hervor, unter
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