Sintflut
Gottes Schutze anempfehlen, aber ich weiß zu gut, daß Ihnen die Hilfe des Teufels zu Ihrem Werke lieber ist. – Übrigens sollte es Ihnen schwer werden, die Konföderierten zu vergiften, es werden sich Leute finden, die sie vor Ihren Weinen und Bieren warnen werden.«
Kmicic warf die Feder beiseite und sprang auf. Er war schrecklich aufgeregt. Dieser Brief an Radziwill war eine offene Kriegserklärung, aber er fühlte eine gewaltige Kraft in sich. Er war bereit, in diesem Augenblicke schon Brust an Brust mit dem mächtigen Geschlechte zu ringen, das es wagte, an den Grundpfeilern des Staates zu rühren. Er, der einfache Schlachtschitz, der unbedeutende Ritter, er, der vom Gesetze verfolgt wurde, der von keiner Seite auf irgend welche Hilfe rechnen konnte, sah schon im Geiste die Niederlage der beiden verräterischen Fürsten und seinen Sieg. – Wie er den Krieg führen, wo er Verbündete finden würde, das alles wußte er selbst nicht. Das Bewußtsein allein, daß er der Stimme seines Gewissens folgte, machte ihn stark und siegesfroh. – Es wurde ihm leichter ums Herz. Neue Aussichten, neue Wege öffneten sich ihm; – er brauchte nur das Pferd zu besteigen und vorwärts zu stürzen, und Ruhm, Ehre und Alexandra werden wieder ihm angehören.
»Dieser Brief wird sie schützen; man wird ihr sicherlich kein Haar krümmen. – Der Hetman hat Grund genug, sie wie sich selbst, wie seinen Augapfel zu behüten!«
Plötzlich durchfuhr ihn ein neuer Gedanke: »Wie wär's, wenn ich an sie schreibe? Sollte ich es ihr nicht sagen, daß ich die Radziwills verlassen habe und im Begriff bin, dem Vaterlande zu dienen?«
Wieder stach er sich in den Arm und begann, von neuem zu schreiben:
»Alexandra, ich stehe nicht mehr in Radziwills Diensten, weil ich endlich eingesehen– –«
Er brach jäh im Schreiben ab. »Nein, mögen für mich meine Handlungen sprechen! Ich will nicht schreiben!«
Er zerriß den Brief und begann ein kurzes Schreiben an Wolodyjowski aufzusetzen:
»Pan Oberst! Unterzeichneter warnt Sie und Ihre Freunde. – Der Hetman schrieb dem Fürsten Boguslaw und dem Harasimowicz, daß man die Ihrigen vergiften und niedermetzeln solle. Ferner weiß ich, daß der Hetman sofort wider Euch loszieht, sobald er vom General de la Gardie Hilfe erhalten hat. – Laßt Euch nicht überraschen und hütet Euch davor, daß er Euch einzeln vernichtet! Ein aufrichtiger, Euch wohlgesinnter Mensch rät Euch das. Glaubt seinen Worten! Haltet fest zusammen. Der Hetman hat nur wenig Reiterei, Dragoner und Kmicic' Leute, auf die er nicht sehr rechnen kann. Kmicic selbst ist mit einem Auftrage fortgeschickt worden, weil der Hetman ihm anscheinend nicht mehr traut. Er ist nicht der Verräter, für den man ihn hält; er ist nur ein bedauernswerter, irregeführter Mensch. – Ich empfehle Euch Gottes Schutze.
Babinicz.«
Babinicz war der Name eines Dorfes, das schon seit langem im Besitze der Kmicic' war.
Als er dieses Schreiben beendet hatte, stand er wieder vor der Frage: Was weiter?
Zu den Konföderierten gehen? Was aber, wenn sie ihn als einen Verräter hinrichten, oder, was noch bitterer ist, wenn sie ihn fortjagen?
»Lieber in den Tod!« rief Pan Andreas. Er errötete vor Scham in dem Bewußtsein seiner eigenen Schuld.
Wodurch anders konnte er seine Schuld sühnen, als durch eine große, uneigennützige, reine Tat? Aber wie sollte er das anfangen?
»Wer kann mir helfen? Wer mir raten?« fragte er sich. Seine Kniee beugten sich unwillkürlich, und seiner Brust entrang sich eine laute, aufrichtige Wehklage:
»O, barmherziger Gott! Du, der du dich des Mörders am Kreuze erbarmtest, erbarme dich jetzt mein. Ich dürste danach, mich von meinen Sünden reinzuwaschen und ein neues Leben anzufangen. Ich will dem Vaterlande treu dienen; aber ich weiß nicht, wie ich es anfangen soll. Ich irre umher wie im Dunkeln. Herr, erleuchte mich, rette mich und tröste mich um deiner Barmherzigkeit willen!«
Pan Kmicic betete inbrünstig, er fühlte nicht, daß aus seinen Augen große, heiße Tränen herniederfielen. Schließlich legte er seinen brennenden Kopf auf das Bett und blieb wie erstarrt in dieser Stellung. – In der Hütte war es ganz still; man hörte nur das Rauschen der mächtigen Kiefern, die vor dem Fenster standen. Plötzlich vernahm man schwere Tritte, und eine Stimme fragte laut:
»Was denken Sie, Pan Wachtmeister, wohin geht's jetzt?«
»Woher soll ich das wissen?« antwortete Soroka. »Wohin? Vielleicht zum
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