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Sintflut

Sintflut

Titel: Sintflut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk Sienkiewicz
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es ihnen klar wurde, daß der Überfall nicht vom Kloster, sondern von ihrem Rücken her kam, verloren die Schweden den letzten Rest ihrer Besinnung, Sollten die verbündeten polnischen Truppen sie unter dem Dunkel der Nacht überfallen haben?
    Inzwischen drangen die Jasnogoraer zu den Geschützen vor und begannen, sie unbrauchbar zu machen. Der tapfere Oberst Horn bemühte sich, die verwirrten Schweden zu ordnen. Aber nach vergeblichen Bemühungen fiel der Oberst, getroffen von einem Sensenhieb, nieder, und seine Leute zerstreuten sich nach allen Richtungen. Kmicic und Czarniecki verfolgten und vernichteten sie ohne Ausnahme.
    Dann ward die Batterie genommen.
    Im Hauptlager der Schweden begannen die Trompeter Alarm zu blasen. Plötzlich aber hörte man Kanonendonner. Im Kloster fing man an zu schießen, um der Truppe die Rückkehr zu erleichtern.
    Eine halbe Stunde später waren Kmicic und Czarniecki mit allen Leuten bis auf Janicz wieder im Kloster.
    Die ganze Nacht hindurch schossen die Kanonen des Klosters unaufhörlich, und die Bestürzung im schwedischen Lager hielt an. Man fand nicht recht heraus, von welcher Seite der Feind gekommen und fürchtete, daß er noch einmal erscheinen werde. Ganze Regimenter irrten in furchtbarer Unordnung bis zum hellen Morgen umher. Und selbst im Hauptlager verließen die Offiziere und die Mannschaften ihre Zelte und warteten unter freiem Himmel das Ende dieser schrecklichen Nacht ab.
    Bei Tagesanbruch ritt Müller an der Spitze seines Stabes zu der Stelle des nächtlichen Angriffes. Er wollte mit eigenen Augen den angerichteten Schaden sehen. Überall konnte man die Spuren des Gemetzels gewahren: Zwischen den Zelten lagen haufenweise halbnackte Leichen, deren Züge den Ausdruck eines panischen Schreckens trugen. Augenscheinlich waren sie alle im tiefen Schlafe überrascht worden. Müller ritt weiter zu den Geschützen. Sie standen stumm, unbrauchbar, ihrer vernichtenden Kraft beraubt. Der General betrachtete sie alle, ohne ein Wort zu sagen, und auch die ihn umgebenden Offiziere wagten es nicht, sein Schweigen zu unterbrechen.
    Und womit sollten sie auch den alten General trösten, der aus eigener Unvorsichtigkeit geschlagen worden war wie ein Anfänger. Das war nicht nur eine Niederlage, sondern eine Schmach. Hatte er nicht selbst die Jasnogoraer Festung einen Hühnerstall genannt und versprochen, sie mit seinen Fingern zu zermalmen? Standen ihm, dem Soldaten von Beruf, nicht neuntausend Mann zur Verfügung, gegenüber den zweihundert der klösterlichen Besatzung?
    Es war für Müller ein unglückseliger Tag, der soeben anbrach.
    Die Soldaten huben an, die Leichen fortzutragen, Müller stand unbeweglich, wie in die Erde eingegraben; aber plötzlich fuhr er zusammen und rief mit dumpfer Stimme:
    »De Fossis!«
    Dann trug man den Oberst Horn an ihm vorüber. Horn war noch am Leben und bei Besinnung. Ein furchtbarer Sensenhieb hatte ihm den Brustkasten zersplittert. Als er Müller und seinen Stab erblickte, lächelte er. Er versuchte etwas zu reden, aber ein Hustenanfall hinderte ihn daran, er verlor die Besinnung.
    »Horn! Horn!« stöhnte Müller. »Gestern sah ich ihn im Traume! Es ist eine furchtbare, unbegreifliche Sache!«
    Er verfiel tief in Gedanken. Da, mit einem Male, vernahm er die geängstigte Stimme Sadowskis:
    »General! General! Sehen Sie! – dort, dort, – das Kloster!«
    Müller sah hin und wurde starr vor Erstaunen.
    Der Nebel, der bisher die Spitze Jasno-Goras einhüllte, hatte das Kloster den Blicken aller entzogen, während jetzt das Kloster mit seinen Türmen sich hoch über dem Nebel erhob, als wenn es sich von seinem Fundamente losgerissen hätte und über der Erde schwebte.
    »Das Kloster! Wahrhaftig, es fliegt nach oben! nach oben!« schrien die Soldaten.
    Tatsächlich begann der Nebel, der den Felsen umgab, sich wie eine gewaltige Säule zu verziehen und wie auf dem Gipfel dieser Säule thronend hob sich das Kloster höher und höher, bis zu den Wolken und verschwand endlich vollkommen.
    Müller wandte sich an seine Offiziere.
    »Ich gestehe,« sagte er, »eine ähnliche Erscheinung habe ich in meinem ganzen Leben noch nicht gesehen. Das alles widerspricht völlig den Naturgesetzen und kann nur auf Zauberei der Papisten beruhen.«
    »Ich hörte,« begann Sadowski, »wie mehrere Soldaten sich unterhielten: »Wie kann man so eine Festung bombardieren?« – Und, bei Gott! ich weiß es selbst nicht, wie! – Denn, ehrlich gesprochen, so haben wir bis

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