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Sintflut

Sintflut

Titel: Sintflut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk Sienkiewicz
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einer Übergabe gewöhnt haben, und da – bei Gott! eine großartige Idee, ganz eines Ritters würdig! Warum ist mir das nicht schon früher eingefallen? Zuerst müssen wir aber unseren Plan dem Prior melden. Gehen wir gleich zu ihm.«
    Und Pan Czarniecki nahm Kmicic unter den Arm.
    Eine Stunde später verließ eine größere Anzahl von Leuten das Kloster. Alle waren mit Säbeln, Pistolen und Gewehren bewaffnet; die Bauern hatten Sensen bei sich.
    Pan Czarniecki führte die Reihe an, Kmicic beschloß sie. Die Gruppe bewegte sich möglichst leise vorwärts; alle versuchten den Atem zurückzuhalten, wie Wölfe, die sich zum Schafstalle schleichen.
    Unten angekommen, hielt Pan Czarniecki an. Er ließ einen Teil der Mannschaft unter dem Befehl des Ungarn Janicz zurück, während er selbst sich mit einigen Leuten nach rechts schlug und in Laufschritt vorwärts eilte.
    Er beabsichtigte, eine Verschanzung zu umgehen, die Schlafenden von hinten zu überfallen und sie zum Kloster hin, Janicz' Leuten in die Arme zu treiben. Diesen Plan hatte Kmicic ihm entworfen.
    Die Jasnogoraer setzten ihren Weg in tiefstem Schweigen fort. Plötzlich zerriß ein starker Windstoß die Wolken, und der Mond beleuchtete mit mattem Schein die Gegend. Pan Czarniecki sah, daß er sich schon hinter der schwedischen Schanze befand. Ein Wachtposten war nicht zu sehen. Warum auch sollten die Schweden einen solchen aufstellen zwischen ihrer Hauptarmee und den eigenen Verschanzungen?
    »Jetzt ganz leise,« flüsterte Czarniecki: »Da sind schon ihre Zelte, in einigen brennt noch Licht. – Paßt auf, daß die Gewehre nicht aneinander schlagen.«
    Sie gelangten zu einem Wall, der hinter den Schanzen aufgeworfen war. Hier standen viele Lastwagen, die Pulver und Geschosse vom Hauptlager aus zugefahren hatten.
    Bei den Fuhrwerken war auch niemand zu sehen, und die Jasnogoraer schlichen sich mit bereit gehaltenen Waffen bis zu den Eingängen der Zelte, wo sie stehen blieben. Zwei Zelte waren erleuchtet. Pan Andreas wandte sich an Czarniecki:
    »Ich gehe zuerst zu denen, die noch nicht schlafen. – Warten Sie, bis ein Schuß von mir fällt, und dann los!« –
    Mit diesen Worten schritt er vorwärts.
    Er ging auf ein erleuchtetes Zelt zu, hob das Tuch auf und blieb mit der Pistole in der Hand stehen.
    Einen Moment lang blendete das helle Licht ihn vollständig. Dann sah er, daß in der Mitte des Zeltes ein Tisch mit einem Leuchter stand, in dem sechs Kerzen brannten. Am Tische saßen drei Offiziere, die aufmerksam mehrere Pläne betrachteten. Als sie Schritte vernahmen, fragte einer von ihnen mit ruhiger Stimme:
    »Wer ist da?«
    »Ein Soldat,« antwortete Kmicic.
    Die beiden anderen Offiziere wandten ihre Köpfe nach dem Eingange des Zeltes zu.
    »Was für ein Soldat? Von wo kommt er?« fragte der erste wieder, es war de Fossis, der die Belagerung leitete.
    »Aus dem Kloster,« sagte Kmicic mit einer unheilverkündenden Stimme.
    De Fossis sprang von seinem Platze auf und beschirmte seine Augen mit der Hand. Kmicic stand aufrecht und unbeweglich wie ein Gespenst; nur der drohende Ausdruck seines Gesichts verkündete eine unabwendbare Gefahr.
    De Fossis schoß der Gedanke durch den Kopf, daß er es vielleicht mit einem Flüchtlinge aus dem Kloster zu tun habe, und er fragte:
    »Was willst du?«
    »Das!« rief Kmicic und schoß ihn mit seiner Pistole durch die Brust. Einen Augenblick später erschallte auf den Schanzen ein schreckliches Geschrei, und eine Salve fiel. De Fossis schlug wie eine vom Blitz getroffene Kiefer hin. Der andere Offizier stürzte mit seinem Säbel auf Kmicic zu, aber er erhielt einen Hieb über den Kopf. Der dritte, der sich aus dem Staube machen wollte, hatte sich auf die Erde geworfen, aber noch bevor er hinausschleichen konnte, nagelte ihn Kmicic mit seinem Säbel auf den Erdboden fest.
    Während dessen hub draußen ein furchtbares Gemetzel an. Das wilde Geschrei: »Schlag' zu! Töte!« vermischte sich mit dem Winseln der Verwundeten und den Hilferufen der schwedischen Soldaten. Die meisten wußten in ihrer Bestürzung gar nicht, wohin sie sich wenden sollten. Manche stürzten geradeswegs den Jasnogoraern in die Arme und kamen unter ihren Säbel- und Sensenhieben um, noch bevor sie um »Pardon!« bitten konnten. Andere stachen in der Verwirrung die eigenen Kameraden mit ihren Säbeln nieder, und wieder andere, halb bekleidet und unbewaffnet, standen mit hochgehobenen Armen unbeweglich oder warfen sich zu Boden. Plötzlich jedoch, als

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