Sintflut
ehrwürdige Väter,« beschloß der vornehme Verräter seine Rede, indem er seinen Blick zu Boden senkte.
Der Prior erhob sich, und mit fester Stimme, die nicht den geringsten Zweifel verriet, begann er:
»Das, was Sie von der Verzichtleistung Jan-Kasimirs erzählen, ist eine Lüge! – In das Herz unseres Unglücklichen Monarchen ist von neuem Hoffnung eingekehrt; zu keiner Zeit hat er so tätig an der Errettung des Vaterlandes gearbeitet wie jetzt. Wenn Sie bei Ihrer Aussage beharren, so gehen Sie, legen Sie Ihre Hand auf das Kruzifix, und wiederholen Sie Ihre Worte.«
Der schwedische Abgesandte erbleichte, dann erhob er sich sogleich, zuckte mit den Achseln und sagte:
»Tun Sie, was Sie wollen; ich aber wasche meine Hände –«
»Genau so sprach Pilatus,« fügte der Prior hinzu.
Der Schlachtschitz stand auf und verließ schnell den Saal.
Bald stellte es sich heraus, daß die Aussaat der schlechten Nachrichten ihre Früchte zeitigte. Das Gerücht von der Abdankung Jan-Kasimirs und der Unmöglichkeit eines weiteren Widerstandes gelangte von der Schlachta zu den Frauen, und von diesen zur Dienerschaft. So verbreitete es sich unter der ganzen Garnison. Wenig betroffen darüber waren die Bauern; die Soldaten hingegen begannen sich zusammen zu rotten und über die Hartnäckigkeit der Mönche zu murren.
Pater Kordecki blieb unbeugsam, obwohl er sich gegen Unterhandlungen nicht sträubte.
Eines Tages erschienen bei Müller zwei Abgesandte aus dem Kloster, Pater Marcell Dobrosz und der gelehrte Pater Sebastian Stawicki. Müller war so erfreut, daß er die beiden fast umarmt hätte. Es handelte sich jetzt nicht mehr um Czenstochau allein, sondern um den ganzen Landesteil. Die Übergabe von Jasno-Gora mußte den Patrioten die letzte Hoffnung rauben und die Republik unbedingt dem schwedischen Könige in die Arme treiben, während ein Widerstand, und noch gar ein erfolgreicher, die ganze Sache ändern und einen neuen fürchterlichen Krieg hervorrufen konnte. Müller war sich dessen wohl bewußt. Er kannte die ganze Verantwortlichkeit seiner Position und begriff, daß ihm entweder die Gunst des Königs und der Marschallstab oder sein endgültiger Sturz bevorstände. Deshalb empfing er die Mönche mit den größten Ehrenbezeugungen wie türkische oder kaiserliche Botschafter. Er lud sie zu einem Mahle ein, auf dem er einen Toast auf den Pater Prior und den Sieradzker Miecznik ausbrachte. Zum Schlusse gab er ihnen Fische für das Kloster und die aufgezeichneten, äußerst nachsichtigen Kapitulationsbedingungen mit, denn der schwedische General zweifelte keinen Augenblick, daß sie vom Kloster angenommen würden. Die Mönche verabschiedeten sich höflichst dankend und gingen mit dem Schreiben von dannen.
Einen Tag darauf kam aus dem Kloster eine andere Mission. Es war Pater Maciej Bleszyuski, der Lektor der Philosophie, und Pater Zarachias Malachowski.
Der General empfing sie in Gegenwart seines ganzen Stabes und der Obersten, erwiderte liebenswürdig die Verneigung des Pater Bleszyuski, der ihm einen versiegelten Brief übergab. Müller erbrach ihn eiligst und begann zu lesen.
Plötzlich stieg Zornesröte in sein Gesicht, das Weiße seiner Augen füllte sich mit Blut.
»Genug!« schrie er mit heiserer Stimme, »legt diese Leute hier hinter Schloß und Riegel! Und Sie, Pan Sadowski, verkünden Sie in meinem Namen, daß, sobald aus dem Kloster ein einziger Schuß fällt, ich diese beiden Mönche aufknüpfen lassen werde!«
Müllers Zorn hatte eine gewisse Berechtigung, sah er doch alle seine Hoffnungen in Staub zerfallen und die Sachlage auf dem alten Flecke.
Pater Kordecki schrieb ihm, daß er sich nur dann von Jan-Kasimir lossagen werde, wenn der Primas einen neuen König verkünde.
Müllers Drohung machte auf die Klosterbewohner einen furchtbaren Eindruck. Die Mönche waren zu Tode erschrocken, die Soldaten aufs äußerste empört. Die Kanonen schwiegen. Der zusammengerufene Rat wußte nicht, was zu tun war. Die Abgesandten wollte man nicht in den Händen des Feindes lassen; neue Boten hinschicken konnte man auch nicht, da man annehmen mußte, daß der schwedische General auch diese zurückbehalten würde. Übrigens ließ der General einige Stunden später anfragen, was die Mönche zu tun gedächten.
»Bevor man die Väter nicht freigäbe, werde man nicht in Verhandlungen eintreten,« antworteten die Mönche, »denn wie könne man jemandem Glauben schenken, der schlimmer als barbarische Volksstämme das
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