Sintflut
Völkerrecht mit Füßen trete und Abgesandte gefangen nehme!«
Als darauf keine Antwort erfolgte, zog in die Herzen der Klosterbewohner Besorgnis und Furcht ein. Pater Kordecki aber schrieb an Müller, daß er bereit sei, zum Wohle des Klosters die beiden Patres zu opfern. Möge der General sie nur ruhig hinrichten lassen, man wisse dann jedenfalls, was man von ihm zu erwarten habe.
Inzwischen rückten die schwedischen Soldaten ungehindert mit ihren Schanzen dichter an das Kloster heran. Neue Reihen mit Geschützen wurden aufgestellt, und die Verteidiger mit Spott und Schimpfworten überhäuft.
Kmicic erstickte fast vor Wut; endlich faßte er einen Entschluß. Ein Schuß fiel, und viele Schweden stürzten zu Boden. Wie auf Befehl begannen jetzt sämtliche Geschütze des Klosters zu feuern.
»Was haben Sie getan?« fragte Czarniecki bestürzt Kmicic. »Wissen Sie denn nicht, daß Sie das mit dem Leben bezahlen müssen?«
»Ich weiß wohl, – mir ist alles gleich!«
»Nun, wenn Ihnen alles gleich ist, so zielen Sie wenigstens besser.«
Und Kmicic begann wieder das Geschütz zu richten.
Er ahnte nicht, daß er mit seinem Schusse das Leben der gefangenen Mönche gerettet hatte; denn Müller überzeugte sich durch die Entschlossenheit, daß man im Kloster wirklich zu allem bereit sei.
Am nächsten Tage sandte der General die Mönche ins Kloster zurück, die mit Jubel empfangen wurden. Bald folgte ihnen ein neuer Bote Müllers, der Oberst Kuklinowski, der ein mit den Schweden verbündetes Freiwilligenbanner befehligte.
In diesem Banner dienten die größten Halunken, Männer ohne Ehre und Gewissen: frühere Raubmörder, flüchtige Verbrecher, die dem Arme des Gesetzes entgangen waren, und dergleichen Gesindel. Sie zogen einen Überfall und das Plündern der Reisenden jedwedem ehrlichen Kampfe vor, und ihr Oberst war ihrer durchaus würdig.
Kuklinowskis Gesicht trug den Stempel wahnwitziger Kühnheit und Frechheit. Er gehörte zu denen, in denen durch das vagabundierende Leben des fortwährenden Krieges auch der letzte Funke des Gewissens erloschen war. Vaterlandsliebe, Glaube, Treue, kurz, alles Gute waren für ihn leere Worte. Er kannte nur den Krieg und fand in ihm Vergnügen, Gewinn und Vergessen seiner finsteren Vergangenheit. Dank der Straflosigkeit glaubte Kuklinowski weder an Gerechtigkeit noch an Gottesstrafe; aber er glaubte wie viele seinesgleichen an den Teufel, an Hexerei, Astrologie und Alchemie. Müller, der auch zu den Leuten dieser Art gehörte, schätzte den Oberst sehr hoch.
Kuklinowski, der den Pan Czarniecki schon von früher her kannte, näherte sich dem Turme, wo dieser mit Kmicic stand. Pan Piotr aber schlief gerade, und so mußte Kmicic den Gast nach dem Konferenzsaal geleiten.
Der Gesandte betrachtete Kmicic mit Kennerblick. Das ritterliche Aussehen des Soldaten gefiel ihm sehr.
»Ein Soldat erkennt sofort den echten Soldaten,« sagte er. »Ich glaubte nicht, daß die Pfaffen solche wackeren Offiziere im Dienste hätten. Darf ich fragen, mit wem ich die Ehre habe?«
Kmicic, dessen Seele von glühendem Hasse erfüllt war gegen jeden Polen, der den Schweden diente, mußte sich beherrschen, um die geheiligte Person des Gesandten nicht zu beleidigen. Er antwortete kühl, aber ruhig:
»Ich heiße Babinicz, war Oberst des litauischen Heeres, jetzt bin ich Freiwilliger im Dienste der heiligen Jungfrau.«
»Ich bin Kuklinowski, gleichfalls Oberst; Sie müssen von mir schon gehört haben. Während des vergangenen Krieges sprach man von diesem Säbel,« er schlug bei diesen Worten an seinen Degen, »nicht allein in der Republik, sondern auch im ganzen Auslande.«
»Ich verneige mich,« entgegnete Kmicic. »Ich habe von Ihnen gehört.«
»So. – Und Sie sind aus Litauen? Auch dort gibt es tapfere Soldaten. Kennen Sie denn nicht einen gewissen Kmicic?«
Diese Frage kam so überraschend, daß Kmicic wie angewurzelt stehen blieb.
»Und warum fragen Sie mich nach ihm?«
»Weil ich ihn liebe, ohne ihn zu kennen. Weil wir beide, ich und er, uns so einander ähneln wie zwei zusammengehörige Stiefel. Zwei rechte Soldaten, ich und Kmicic, bei Gott! Kennen Sie ihn persönlich?«
»Daß dich der Teufel hole!« dachte Kmicic bei sich, aber da er sich an Kuklinowskis Würde erinnerte, antwortete er laut:
»Nein, persönlich kenne ich ihn nicht. – Doch belieben Sie nicht, in den Konferenzsaal zu treten, es sind schon alle dort versammelt.«
Kuklinowski schritt zur Tür, auf der Schwelle
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