Sintflut
Untergang auf, flößten diese Töne von neuem das Gefühl der Sicherheit ein, daß das Kloster noch unversehrt sei, die Kirche noch stehe, und das Feuer nicht imstande sei, die Standhaftigkeit der Mönche zu besiegen.
Selbst auf die Schweden machte dieser Gesang keinen geringen Eindruck. Die Soldaten lauschten, zuerst mit Staunen, dann mit Furcht diesen Klängen. In diesen Hühnerstall hatten sie schon so viel Feuer und Eisen hineingeschleudert, daß jede andere Festung längst dem Erdboden gleich geworden wäre, und diese Mönche sangen noch immer und waren frohen Mutes. Nur Hexerei konnte hier die Hand im Spiele haben.
General Müller aber war anderer Meinung; er befahl die Kanonade zu verstärken.
Sein Befehl wurde zu hastig ausgeführt. Die Kanoniere richteten das Ziel zu hoch, die Geschosse begannen über das Kloster hinwegzufliegen und in die in entgegengesetzter Richtung liegenden Schanzen einzuschlagen, wo sie nicht geringen Schaden verursachten.
Müller stand mit einem Fernrohr in der Hand bei Czenstochau und beobachtete lange Zeit das Bombardement. Die Offiziere, die ihn umgaben, sahen, daß sein Arm immer stärker zu zittern begann. Endlich wandte er sich an seine Umgebung und rief:
»Das Feuer fügt dem Kloster keinen Schaden zu!«
Und ein schrecklicher, sinnloser Zorn erfaßte den alten General. Er warf das Fernrohr mit allen Kräften zu Boden.
»Diese Musik bringt mich von Sinnen!«
In diesem Augenblicke sprengte Ingenieur de Fossis heran.
»General,« sagte er, »es ist unmöglich Minen zu graben. Unter der Erdschicht liegt ein Felsen. Hier sind Bergarbeiter nötig.«
Müller stieß einen Fluch aus, aber kaum hatte er ihn ausgesprochen, als aus Czenstochau ein Offizier kam mit der Meldung, daß das größte Geschütz zerschmettert worden sei.
Der General ging, ohne ein Wort zu erwidern, in sein Quartier. Er beschloß, die Belagerten zu erschöpfen. In der Festung waren kaum zweihundert Mann, er aber konnte seine Soldaten des öfteren ablösen.
Inzwischen wurde es Nacht. Die Kanonen dröhnten unaufhörlich. Aus dem Kloster feuerte man noch energischer als am Tage; die schwedischen Lichter gaben ein gutes Ziel ab.
Diese Nacht kam den Schweden teuer zu stehen. Sie hatten bedeutende Verluste unter der Mannschaft; einige Regimenter gerieten in solche Unordnung, daß sie sich kaum bis zum Morgen wieder formieren konnten. Die Belagerten schossen unaufhörlich, wie um zu zeigen, daß sie des Schlafes und der Ruhe nicht bedurften.
Es war schon heller Tag, als der Prior zu der Stellung Czarnieckis und Kmicic' kam. Kmicic war gerade nicht zu sehen; er kroch die Mauer entlang, um eine von einer Bombe beschädigte Stelle in Augenschein zu nehmen.
»Wo ist Babinicz?« fragte der Prior lebhaft. »Schläft er oder ist ihm irgend etwas zugestoßen?«
»Wie darf man in solch einer Nacht an Schlaf denken?« vernahm man Pan Andreas' Stimme, der gerade mit der Besichtigung fertig war. »Ich habe doch auch ein Gewissen. Alle dienen der heiligen Jungfrau, das will ich auch tun, solange meine Kräfte ausreichen. Den Schweden ging es schlecht in dieser Nacht, hoffentlich werden sie sich am Tage erholen wollen und uns Ruhe gönnen.«
Pan Andreas' Hoffnung erwies sich als falsch. Der Tag brachte die gewünschte Erholung nicht. Im Gegenteil, das Feuer hielt mit derselben Lebhaftigkeit an.
Noch viele solcher Tage waren den Jasnogoraern beschieden. Allmählich gewöhnten sich die Leute an das ewige Dröhnen der Geschütze, besonders, als sie sich überzeugten, daß dem Kloster nur sehr geringer Schaden zugefügt wurde. Kmicic begann dieses ewigen Einerleis überdrüssig zu werden. Er wollte etwas ganz Besonderes ausführen.
Es war Nacht; auf den Schanzen der Schweden war alles still. Die ermüdeten Soldaten schliefen wahrscheinlich bei ihren Kanonen.
Pan Piotr saß auf einer Lafette und schlug die Füße aneinander, um sich zu erwärmen.
»Es ist kalt,« sagte er zu dem herankommenden Kmicic, »und mein Kopf fängt von dem fortwährenden Gedröhne an zu schmerzen.«
»Ja, – schon zwei Tage und zwei Nächte währt dieses Schießen. Heute aber können wir uns ausruhen, dort sind alle fest eingeschlafen. Ein günstiger Augenblick für einen nächtlichen Überfall, – jetzt könnte man dort viel Schaden anrichten; – Geschütze unbrauchbar machen und anderes mehr, denn man ist auf nichts gefaßt.«
Pan Czarniecki sprang auf.
»Die drüben denken, daß wir schon mürbe geworden sind und uns an den Gedanken
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