Sintflut
ist Krieg, da ist alles erlaubt. – Nun, und die Truppen? Hast du sie meinem Befehle gemäß vorausgesandt?«
»Jawohl. Paterson ist hier geblieben. Er pflegt Ketling, der sich mit seinem Degen zufällig verwundet hat. Wäre ich nicht von Ketlings Tapferkeit überzeugt, so würde ich denken, er hätte sich absichtlich verwundet, um nicht mit ins Gefecht zu brauchen.«
Am Abend fühlte sich Boguslaw schon so wohl, daß er mit seinen Offizieren ein Gelage veranstaltete. Die ganze Nacht durch kneipte er und hörte mit Vergnügen dem Wiehern der Pferde, dem Klirren der Waffen und dem Lärmen der Soldaten zu, die sich zu dem Feldzuge vorbereiteten.
»Mir ahnt, dieses Unternehmen wird mir die Gesundheit wiedergeben,« sagte er, sich im Sattel hochreckend. »Ich bin hier fast verschimmelt inmitten all der Sorgen und Unterhandlungen.«
Am nächsten Morgen, lange vor Tagesanbruch, brach der Fürst an der Spitze seiner Truppen auf. Nach ihm begannen die Gäste, die sich bei ihm aufgehalten hatten, sich zu zerstreuen. Es blieben nur der Miecznik, Panna Kulwiec, Alexandra, Ketling und der alte Kommandant der winzigen Garnison, Braun.
Nachdem der Miecznik mehrere Tage lang das Bett gehütet hatte, begann er sich wieder zu erholen und neue Fluchtpläne zu entwerfen, als ein Bote ihm einen Brief vom Fürsten brachte. Pan Billewicz wollte den Brief zuerst gar nicht öffnen, aber Alexandra redete ihm zu, es zu tun, da man, ihrer Meinung nach, alle Pläne des Feindes kennen müsse.
»Erlauchter Pan Billewicz! Das Schicksal wollte es, daß wir uns nicht so freundschaftlich trennen konnten, wie es meinen Gefühlen zu Ihnen und zu Ihrer reizenden Nichte gemäß wäre. Aber ich kann beim besten Willen diese Schuld nicht auf mich und mein Gewissen nehmen; Sie wissen ja selbst, mit welchem Undank mir meine Gefühle belohnt werden. Ein zorniger Mensch ist nicht für seine Handlungen verantwortlich. Ich hoffe, daß Sie meine schroffe Handlungsweise, die sich durch die Unmöglichkeit des Verhältnisses, in dem ich mich befand, erklärt, entschuldigen werden. Ich meinerseits verzeihe Ihnen von ganzem Herzen, wie es die christliche Liebe gebietet. Ich bin bereit, unsere freundschaftlichen Beziehungen wieder aufzunehmen. Und um Ihnen einen Beweis für die Aufrichtigkeit meiner Worte zu liefern, will ich das Geld von Ihnen annehmen, das Sie mir angeboten haben.«
Der Miecznik schlug mit der Faust auf den Tisch und rief:
»Nun, das soll er aber nie bekommen!«
»Lesen Sie nur weiter,« sagte Alexandra.
»Da ich Sie jedoch nicht beunruhigen und Ihre kostbare Gesundheit nicht schädigen möchte, habe ich selbst Ihr Geld ausgraben und zählen lassen.«
Den Miecznik verließen seine Kräfte; seine Arme fielen schlaff herunter, und die Augen wurden ihm trübe.
»Schlag' zu, wer an Gott glaubt!« schrie er plötzlich los.
»Je mehr Ungerechtigkeit, desto näher Gottes Strafe,« tröstete ihn Alexandra.
5. Kapitel.
Nach diesem Schreiben Boguslaws sahen der Miecznik und Alexandra mehr und mehr ein, daß ihnen nur eins blieb: sich durch Flucht zu retten. Was wartete ihrer hier, wenn Boguslaw als Sieger zurückkehrte?
Alexandra wollte aber auf jeden Fall ihre Flucht bis zur Wiederherstellung Ketlings verschieben; denn auf Braun, einen mürrischen, verschlossenen Soldaten, war nicht zu rechnen.
Alexandra wußte sehr wohl, daß Ketling sich die Wunde nur beigebracht hatte, um in ihrer Nähe zu bleiben. Und sie hoffte, daß er bereit sei, für sie alles zu tun, was sie ihm befehlen würde.
Wiederholt fragte sie sich selbst, ob sie das Recht habe, über ein fremdes Geschick, ein fremdes Leben zu verfügen. Aber sie gelangte stets zu dem Schlusse, daß ihre Gefahr eine viel größer sei, als die, der Ketling ausgesetzt würde. Er konnte, wenn er den Fürsten verlassen hatte, sofort einen besseren Dienst finden und auch starke Beschützer, – den König, Sapieha oder Czarniecki. Der Tod drohte ihm ja nur dann, wenn er unglücklicherweise in Boguslaws Hände fiele; aber noch war Boguslaw ja nicht in der ganzen Republik mächtig.
Als der junge Offizier genesen war, ließ ihn Alexandra bald zu sich rufen.
Ketling erschien vor ihr, blaß, abgemagert, aber wie immer voller Ehrfurcht und schweigender Anbetung. Tränen füllten Panna Billewicz' Augen, als sie ihn nach seiner Gesundheit fragte.
»Leider erholte ich mich, und ich wollte so gern sterben!«
»Sie müssen Ihren jetzigen Dienst verlassen,« sagte die Panna, ihn voller Teilnahme
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