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Sintflut

Sintflut

Titel: Sintflut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk Sienkiewicz
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Schande liefern sie es aus! Es genügte ihnen nicht, dem Feinde alles zu übergeben, – die Truppen, die Kanonen! – Möge ein Blitz vom Himmel sie treffen! Sie haben in ihrem und eurem Namen unterzeichnet, daß sie sich vom Herrscher lossagen, daß das ganze Land, die Städte, die Festungen und wir alle von nun an Schweden gehören werden. – Daß sich eine Truppe ergibt, das kommt vor; aber wer hat das Recht, sich vom Vaterlande und Könige loszusagen! Panowie! Es ist eine Schande! Verrat! Mord! Rettet das Vaterland, Panowie! Wir wollen unser Leben, unser Blut dafür hingeben! Wir wollen nicht Schweden werden! Wollen nicht! Wehe dem, der jetzt mit dem Vaterlande kein Mitleid hat; es wäre ihm besser, er wäre nie geboren worden!«
    »Verrat! Tod den Verrätern!« riefen mehrere Stimmen.
    »Zu uns, wer ein Schlachtschitz ist!« rief Skrzetuski.
    Mit den Rufen: »Zu uns! Verrat!« durchschritten sie das Lager. Mehrere Hundert folgten ihnen mit blank gezogenen Säbeln. Aber die Mehrheit, die ungeheure Mehrheit rührte sich nicht von der Stelle.
    Die Türen des Beratungshauses öffneten sich wieder, und die Wojewoden, gefolgt von der schwedischen Gesandtschaft, traten heraus. Christof Opalinski trug in seinen Händen eine mit Siegeln versehene Pergamentrolle. Er schritt hochgehobenen Hauptes aus der Tür; aber in seinen Augen lag Unruhe und Unsicherheit. Todesstille empfing die Ritter; dann hub Opalinski mit klarer Stimme an:
    »Panowie! Von heute ab stellen wir uns unter das Protektorat Seiner Majestät des Königs von Schweden. Vivat König Karl-Gustav!«
    Dieselbe Stille folgte der Erklärung des Wojewoden.
    »Alle Rechte der Schlachta und der Geistlichkeit bleiben bestehen, die Steuern werden nicht erhöht, alles bleibt beim alten. Niemand soll gekürzt oder verfolgt werden. Außerdem hat uns General Wittemberg im Namen des Königs versprochen, daß, sobald das ganze Land unserem rettenden Beispiel gefolgt sein wird, die schwedischen Truppen nach Litauen und der Ukraina ziehen und das ganze Land von allen Feinden befreien werden, solange bis alle Provinzen und Schlösser der Republik wieder zurückerobert sind. – Vivat König Karl-Gustav!«
    »Vivat König Karl-Gustav!« riefen mehrere Stimmen.
    »Vivat König Karl-Gustav!« donnerte es im ganzen Lager.
    Vor aller Augen umarmte der Posener Wojewod Radziejowski und General Wirtz. Dann umarmten sich alle gegenseitig. Unaufhörlich schrie man »Vivat!« und das Echo trug diesen Ruf nach allen Himmelsrichtungen.
    »Meine Herren,« begann nach einer Weile der Posener Wojewod von neuem, »General Wittemberg lädt uns alle ein, heute in sein Lager zu kommen. Wir wollen bei gefüllten Bechern einen brüderlichen Bund mit den tapferen Schweden schließen.«
    »Vivat Wittemberg! Vivat! Vivat!«
    »Und dann nachher kehren wir nach Hause zurück und beginnen mit Gottes Hilfe mit der Ernte. Wir nehmen das erhebende Bewußtsein mit uns, daß wir am heutigen bedeutungsvollen Tage das Vaterland gerettet haben!«
    »Die künftigen Geschlechter werden uns Gerechtigkeit widerfahren lassen,« sagte Radziejowski.
    »Amen,« beendete der Wojewod.
    Plötzlich bemerkte er, daß die Augen der Schlachta auf einen Gegenstand über seinem Kopfe gerichtet waren.
    Der Wojewod wandte sich um, er erblickte seinen Narren, der, auf den Zehenspitzen stehend, mit Kohle folgende Worte über die Tür des Beratungshauses schrieb:
    »Mene, Tekel, Upharsin.«
    Inzwischen hatte der Himmel sich mit dichten, schwarzen Wolken bezogen; ein Gewitter war im Anzuge.

11. Kapitel.
    In dem Dorfe Burzec, das dem Pan Skrzetuski gehörte, saß im Garten zwischen dem Herrenhause und dem Teich ein alter Mann. Zu seinen Füßen spielten zwei Knaben von fünf und vier Jahren. Es waren schwarzhaarige, rotbackige, gesunde Jungen, die so stark verbrannt waren, daß sie wie Zigeunerkinder aussahen. Der Greis auf der Bank sah auch recht rüstig aus. Noch hatten die Jahre nicht seinen kräftigen Rücken zu beugen vermocht. Aus seinem einen Auge, das andere war blind, blickte Gutmütigkeit und Menschenliebe.
    Die beiden Knaben zogen je an einem Stiefelschaft des Alten nach verschiedenen Richtungen, und er sah zu, wie die Sonnenstrahlen den Teich vergoldeten und die lustig plätschernden Fische Kreise auf der Oberfläche zogen. Schließlich ließen die Kinder die Stiefelschäfte des Alten los und setzten sich zu ihm auf die Bank.
    »Großväterchen, sag' 'mal, wer ist der tapferste Mann, den du kennst?« fragte der ältere

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