Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sintflut

Sintflut

Titel: Sintflut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk Sienkiewicz
Vom Netzwerk:
Knabe, Jaremka.
    »Na, du, Söhnchen.«
    »Werde ich auch 'mal ein Ritter?«
    »Sicherlich, denn in deinen Adern fließt Ritterblut. Gebe Gott, daß du dem Vater gleichst.«
    »Und wieviel Menschen hat Papa schon getötet?«
    »Schon hundertmal habe ich dir gesagt, eher kann man die Blätter auf jener Linde zählen, als alle die Feinde, die wir, dein Vater und ich, ins Jenseits befördert haben.«
    Die Tür, die aus dem Herrenhause in den Garten führte, öffnete sich, und in ihr zeigte sich eine Frau. Sie war schön, groß, schlank und schwarzhaarig; ihre Wangen färbte eine blühende Röte. An ihrem Kleide hielt sich ein dritter kleiner Knabe fest. Sie beschattete ihre Augen mit ihrer Hand und blickte nach der Richtung der Linde zu.
    Es war Pani Helene Skrzetuska aus dem Fürstengeschlechte der Bulyn-Kurcewicz'.
    Als sie Pan Zagloba und bei ihm Jaremka und den jüngeren Knaben, Longinek, sah, ging sie einige Schritte zum Teich und rief:
    »Jungens, kommt her! Großväterchen hat euch gewiß schon satt gekriegt.«
    »Ei, warum denn? Sie sind ja ganz brav,« antwortete Pan Zagloba.
    »Väterchen, was wollen Sie heute trinken, Bier oder Met?«
    »Zu Mittag gab's heute Schweinefleisch, – da paßt Met besser.«
    »Gleich werde ich Met schicken. Aber es ist unrecht, daß Sie im Freien schlafen, Sie können sich noch das Fieber holen, Väterchen.«
    »Es ist ja warm und windstill heute. Doch, Töchterchen, sag' 'mal, wo ist denn Jan?«
    »Er ging in den Speicher.«
    Pani Skrzetuska nannte Pan Zagloba Väterchen und er sie Töchterchen, obgleich sie nicht miteinander verwandt waren. Während ihrer Mädchenzeit erwies Zagloba Helene Skrzetuska große Dienste. Er hatte sie aus furchtbarer Gefahr errettet, darum ehrten Helene und ihr Mann Zagloba wie einen Vater. Auch in der ganzen Umgegend genoß Pan Zagloba großes Ansehen; man verehrte ihn seiner Klugheit und seiner großen Tapferkeit wegen, die er in vielen Kriegen, besonders in den Kämpfen gegen die Kosaken bewiesen hatte. Sein Name war in der ganzen Republik bekannt; selbst der König liebte seine Erzählungen und witzigen Einfälle, kurz, man sprach im Lande sogar mehr von ihm als von Pan Skrzetuski.
    Bald nachdem Helene Skrzetuska wieder ins Haus gegangen war, brachte ein Diener einen Krug Met und ein Glas unter die Linde. Pan Zagloba schenkte sich ein, schloß die Augen und kostete von dem Getränk.
    »Der liebe Gott wußte schon, wozu er die Bienen erschaffen hat,« brummte er in seinen Bart und begann langsam aus dem Glase zu trinken. Dann schöpfte er tief Atem und sah auf die dunklen Wälder, die sich in der Ferne jenseits des Sees dahinzogen. Am Himmel war nicht ein einziges Wölkchen, leise fielen die Lindenblüten zur Erde, und über seinem Kopfe in der Linde summten Tausende von Bienen. Aus den Schilfbüschen flogen fortwährend Scharen wilder Enten und Gänse auf. Bisweilen stiegen Kraniche hoch in die blaue Luft hinein. Ringsum war alles still und heiter.
    Die Augen des alten Mannes hoben sich bald zum Himmel und verfolgten die Vogelscharen, bald richteten sie sich in die Ferne. Sein Blick wurde immer matter und schläfriger, entsprechend der Abnahme des Mets im Kruge.
    »Ja, Gott hat schönes Wetter geschickt für die Ernte,« murmelte der Schlachtschitz. »Das Heu ist eingefahren, bald werden auch die Felder leer sein. – Ja, ja.«
    Mit diesen Worten schlief Pan Zagloba ein.
    Er hatte lange geschlafen, als er von den Schritten und der lauten Unterhaltung zweier Menschen geweckt würde. Er sah zwei Männer sich rasch der Linde nähern; einer von ihnen war Jan Skrzetuski, der berühmte Held von Zbaraz, den zweiten kannte Zagloba nicht, obwohl er in der Gestalt und in den Gesichtszügen sehr dem ersteren ähnelte.
    »Gestatten Sie, Väterchen, daß ich Ihnen meinen Vetter, Pan Stanislaus Skrzetuski, Rittmeister von Kalisz, vorstelle?« sagte Jan Skrzetuski.
    »Sie ähneln dem Jan so,« antwortete Zagloba, indem er noch mit den Augen blinzelte, daß ich Sie auf den ersten Blick für einen Skrzetuski hielt.«
    »Es ist mir sehr angenehm, Pan Zagloba, Ihre Bekanntschaft zu machen, um so mehr, da mir Ihr Name sehr wohl bekannt ist. Die Edelsten der Republik nennen ihn mit Achtung; man stellt Sie den anderen als gutes Beispiel vor Augen.«
    »Ei nun, es ist keine Prahlerei, wenn ich sage, ich tat stets, was in meiner Macht stand, solange ich bei Kräften war. Auch heute noch wäre ich nicht abgeneigt, mich im Kriegsglück zu versuchen. – Aber warum sehen

Weitere Kostenlose Bücher