Sintflut
wünsche.
Die Ritter folgten dem Harasimowicz, der sie über den mit Soldaten und Landedelleuten angefüllten Hof führte. Überall wurde laut und eifrig etwas besprochen, wahrscheinlich dasselbe, was Charlamp soeben den Rittern mitgeteilt hatte. Auf allen Gesichtern war innere Unruhe und fieberhafte Erwartung ausgedrückt.
Die Offiziere und die Schlachta hörten den Rednern zu, die ihre Worte mit verzweifelten Gesten begleiteten.
Nur mit Mühe und Not konnte Harasimowicz sich durch die dichte Menge hindurchdrängen. Von Zeit zu Zeit begrüßten alte Bekannte den Pan Wolodyjowski.
»Wie geht es, Michail? Schlecht, Bruder! Wir gehen zugrunde! Wen führst du denn zum Fürsten?«
Pan Michail antwortete niemandem; er wollte keine Zeit verlieren, um vor dem Fürsten zu erscheinen. Die Ritter kamen zu dem Hauptgebäude des Schlosses, dessen Eingänge fürstliche Janitscharen, mit Panzerhemden und ungeheuren, weißen Mützen bekleidet, bewachten.
Auf dem Flur und auf der Treppe, die zu beiden Seiten mit Pomeranzenbäumen geschmückt war, herrschte ein noch größeres Gedränge als auf dem Hofe. Auch hier wurde lebhaft gesprochen. Den Hauptgegenstand der Unterhaltung bildete die Verhaftung Gosiewskis und Judyckis. Alle waren aufs höchste erstaunt darüber; einige bewunderten den Scharfblick des Fürsten, andere verurteilten jedoch seine Handlungsweise. Ein jeder brannte vor Ungeduld, die Lösung des Rätsels aus dem eigenen Munde des Fürsten zu erfahren. Deshalb stürmten auch eine große Menge Menschen die Treppen empor zum Audienzsaal, wo der Fürst zu dieser Zeit die Obersten und die höhere Schlachta empfing. Endlich traten unsere Ritter durch die geöffnete Tür in den Saal, dessen himmelblaue Decke weithin leuchtete. In der Tiefe des Saales stand ein Podium, das von einer glänzenden Suite reich und buntfarbig gekleideter Ritter besetzt war. Vorn auf dem Podium stand ein Sessel, dessen hohe Rückenlehne eine goldene Fürstenkrone trug, von der roter, mit Hermelin umsäumter Samt mantelartig herunterfiel.
Der Fürst war noch nicht im Saale; Harasimowicz drängte sich durch die Schlachta hindurch zu einer kleinen Tür, die hinter dem Podium verdeckt lag. Er bat die Ritter, auf ihn zu warten, während er selbst hinter der Tür verschwand.
Nach einigen Minuten erschien er wieder und führte die Gäste zum Fürsten.
Die beiden Skrzetuskis, Zagloba und Wolodyjowski betraten ein kleines, aber prunkvoll ausgestattetes Zimmer, das ganz mit gepreßtem Leder austapeziert war.
An einem Tische, der mit Papieren überhäuft war, saßen zwei Herren, die in ein Gespräch vertieft waren. Der eine, ein noch junger Mann, in fremdländischer Kleidung mit einer langen Lockenperücke auf dem Kopfe, flüsterte dem älteren Herrn etwas ins Ohr. Dieser hörte mit zusammengezogenen Brauen zu und nickte von Zeit zu Zeit. Er war so mit seinen Gedanken beschäftigt, daß er die Angekommenen nicht sogleich bemerkte.
Es war ein Mann in den Vierzigern, breitschulterig und von einer Hünengestalt. Er trug ein rotes, polnisches Nationalkostüm, das am Halse durch eine kostbare Spange zusammengehalten wurde. Aus seinem Gesicht sprachen Stolz und Machtbewußtsein. Es war das herrschsüchtige Gesicht eines großen Machthabers. Ein langer, hängender Schnauzbart gab diesem Gesicht noch mehr das Gepräge des Zornes und Eigenwillens. Wehe dem Haupte, über dem sich die Gewitterwolke seines Zornes entlud! Das war der erste Eindruck, den man von dem Fürsten Janusz Radziwill, denn er war der Mann, gewann.
Der junge Mann in der Perücke war Fürst Boguslaw, ein Vetter des Fürsten Janusz; er war Stallmeister des litauischen Großfürstentums.
Nachdem Boguslaw dem Fürsten noch einiges ins Ohr geflüstert hatte, sprach er laut:
»Ich hinterlasse also meine Unterschrift auf dem Dokument und reise dann ab.«
»Wenn es nicht anders geht, so fahren Sie,« erwiderte Janusz, »obgleich es mir lieber wäre, Sie blieben. Wer weiß, was sich hier ereignen kann?«
»Ihre Durchlaucht haben ja alle Zufälligkeiten vorausgesehen, dort aber fordern die Geschäfte meine persönliche Anwesenheit.«
»Behüte Sie Gott!«
»Adieu, mon frère.«
»Adieu.«
Die Fürsten reichten sich die Hände, der Stallmeister ging eilig hinaus, der Hetman aber wandte sich an die Ritter:
»Verzeihen Sie, meine Herren, daß ich Sie warten ließ,« sagte er langsam, mit einer tiefen, klangvollen Stimme. Allerlei Angelegenheiten nehmen aber jetzt meine ganze Zeit und
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