Sintflut
leichter ums Herz, und ihre Augen leuchteten klar. Und doch hatte sie ihm nichts Bestimmtes versprochen, und er war klug genug, keine großen Versprechungen schon jetzt von ihr zu fordern.
Sie begriff, daß sie ihm den Weg zur Besserung nicht verlegen durfte, die er mit seiner ganzen Seele erstrebte. An seiner Aufrichtigkeit zweifelte sie keine Minute; er war nicht der Mann, der es verstand, sich zu verstellen. Aber in ihrer noch nicht erloschenen Liebe, die all die Enttäuschungen, all den Kummer überlebte, lag der Hauptgrund, daß sie ihn nicht zurückwies, daß sie ihm nicht die Hoffnung raubte. Ihre Liebe zu ihm war bereit, immer zu glauben und ins Endlose hinein zu vergeben.
Inzwischen hatte der Hofmarschall verkündet, daß das Essen aufgetragen, und es Zeit sei zur Tafel zu gehen. Es entstand eine allgemeine Bewegung im Saal. Man schritt paarweise zum Speisesaal, voran Graf Löwenhaupt, der die Fürstin führte. Ihnen folgte Baron Shitte, dann der Bischof Parczewski mit dem Pater Bialozor; beide sahen finster und niedergeschlagen aus.
Fürst Janusz führte Pani Korf, und Kmicic ging mit Alexandra, er fühlte sich als der glücklichste unter all diesen Magnaten, hatte er doch den größten Schatz bei sich am Arme.
Der ungeheuer große, hufeisenförmige Tisch bog sich unter der Last des goldenen und silbernen Geschirrs. Fürst Janusz, als naher Verwandter vieler königlicher Häuser, nahm den obersten Platz der Tafel ein; alle, die an ihm vorbeigingen, verbeugten sich tief.
Des Hetmans Züge trugen den Stempel der Unruhe, er bemühte sich heiter zu scheinen; aber die neben ihm Sitzenden bemerkten, daß sich seine Stirn oft mit Wolken bedeckte, daß seine Augen unruhig von einem Gesicht zum andern umherirrten und dann auf verschiedenen Obersten haften blieben. Und – eigentümlich! Die hohen Würdenträger neben dem Fürsten, die Abgesandten, der Bischof, Pater Bialozor und andere mehr waren ebenfalls verstimmt und unruhig. Während an den Enden der Tafel schon fröhliche Stimmen und Gelächter erschallten, blieb es in der Mitte ganz ruhig, nur wenige einsilbige Worte fielen, und bedeutungsvolle Blicke wurden gewechselt.
»Der Hetman ist immer so vor einem Kriege,« bemerkte der alte Oberst Stankiewicz zu Zagloba. »Aber je finsterer er vorher ist, desto schlimmer steht's für den Feind. Am Tage der Schlacht, da wird er wieder heiter sein.«
»Auch der Bär brummt vor dem Kampfe, um seine Wut gegen den Feind anzuspornen,« erwiderte Zagloba.
»Aber sehen Sie nur, Panowie, der Bischof Parczewski ist kreidebleich,« sagte Stanislaus Skrzetuski.
»Weil er am Tische eines Ketzers sitzt und sich fürchtet, etwas Unreines zu verzehren,« erläuterte leise Zagloba. »Ich rate euch allen, ein Kreuz über das Essen zu schlagen; denn wer sich gut hütet, den hütet auch Gott.«
»Was Sie da sagen! – Bei uns in Groß-Polen gibt es viele Lutherische und Calvinisten; aber daß die das Essen verhexen, davon hat man noch nie etwas gehört.«
»Eure Lutherischen haben jetzt aber mit den Schweden unterhandelt,« sagte Zagloba. »Ich, an Stelle des Fürsten, würde die Gesandten nicht bewirten, sondern mit Hunden zu Tode hetzen lassen. Sehen Sie nur diesen Löwenhaupt an, wie der stopft! Wie heißt eigentlich der andere?«
»Das müssen Sie Pan Michail fragen,« sagte Pan Skrzetuski.
Wolodyjowski aber sah und hörte nichts; er war ganz in den Anblick Alexandras versunken.
»Wie schön sie ist!« wiederholte er bei sich wohl zum hundertstenmal. »Wie himmlisch schön! Herr Gott, sieh doch auf meinen Kummer nieder und rette mich aus dieser trostlosen Verlassenheit. Wie sehne ich mich nach einer mitfühlenden Seele. So viele hat man mir schon vor der Nase weggeschnappt!«
Im Saale wurde es immer lauter und lauter; man sprach eifrig den Getränken zu. Die Obersten diskutierten über den Verlauf des künftigen Krieges, Pan Zagloba erzählte laut von der Belagerung von Zbaraz! Es schien, als wenn der Geist des unsterblichen Jeremias in diesen Räumen weilte und die Brust dieser alten Soldaten mit Mut erfüllte.
Die große Uhr, die in der Ecke stand, begann Mitternacht zu schlagen, und im gleichen Augenblick erzitterten die Wände des Schlosses, und die Scheiben klirrten jammernd in den Fensterrahmen. Fürst Janusz ließ zu Ehren der Gäste Kanonen abschießen.
Plötzlich rief jemand:
»Wasser, gebt Wasser! Der Bischof ist ohnmächtig geworden.«
Alle sprangen von ihren Plätzen auf, um besser sehen zu können, und
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