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Sintflut

Sintflut

Titel: Sintflut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk Sienkiewicz
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ihr die Hände entgegen.
    »Alexandra! Alexandra!« rief er mit klagender Stimme, wie ein zu Unrecht gekränktes Kind.
    Sie aber wich voll Zorn und Abscheu von ihm zurück: »Fort! – Verräter!« entgegnete sie festen Tones.
    In diesem Augenblicke kommandierte Ganchoff: »Vorwärts!« und die Schotten schritten mit den von ihnen eingeschlossenen Gefangenen zu den Türen.
    Kmicic folgte ihnen langsam; er wußte selbst nicht, wohin und wozu er ging.
    Das Bankett war zu Ende.

14. Kapitel.
    In derselben Nacht noch hielt der Fürst lange Rat mit dem Wojewod Pan Korf und den Abgesandten.
    Als der Fürst allein war, begann er unruhig im Zimmer auf und ab zu gehen. Die Folgen des verlesenen Vertrages hatten seine Erwartungen arg enttäuscht und zeigten ihm die Zukunft in drohendem Lichte. Die energischen Proteste der Obersten überschritten alle Grenzen der von ihm angenommenen Möglichkeit. Außer mehreren Dutzend calvinistischer Schlachtschitzen und einigen ausländischen Offizieren war ihm niemand geblieben. Alle hatten sich gegen den Vertrag erklärt, den er mit Karl-Gustav oder richtiger gesagt mit dessen Schwager, Feldmarschall Paulus de la Gardie, abgeschlossen hatte.
    Es war wahr, er hatte die ungehorsamen Obersten gefangen nehmen lassen; aber wie werden sich die Truppen dazu verhalten? Werden sie nicht aufrührerisch werden und versuchen, ihre Offiziere mit Gewalt zu befreien? Und was blieb ihm, dem stolzen Fürsten, dann außer mehreren Regimentern Dragoner und der ausländischen Infanterie?
    Ihm gegenüber aber stand die ganze bewaffnete Schlachta und Sapieha, der Witebsker Wojewod, der schreckliche Gegner des Radziwillschen Hauses, der bereit ist, für die Integrität der Republik gegen die ganze Welt zu ziehen. Und was wird dann werden?
    Solche Fragen quälten den Fürsten unablässig. Er sah wohl ein, daß in diesem Falle der Vertrag jegliche Bedeutung verlieren mußte, daß die Schweden ihn geringschätzig behandeln werden, wenn sie sich nicht gar für die enttäuschten Erwartungen an ihn rächen würden.
    Der Fürst preßte seinen brennenden Kopf in die Hände und setzte unermüdlich seine Wanderung im Zimmer fort. Vom Hofe her vernahm er die Rufe der schottischen Posten und das Gerassel der abfahrenden Equipagen. Sie fuhren alle so hastig und schnell davon, als wenn das prächtige Schloß von Kiejdane von einer Seuche heimgesucht worden wäre.
    Oft schien es dem Fürsten, als sei außer ihm noch jemand im Zimmer, der hinter ihm hergehe und ihm ins Ohr flüstere: »Verlassenheit, Bettelarmut und zu alledem noch die Schmach.« – Ihn, den Wojewod von Wilna, den Großhetman hatte man erniedrigt und in den Staub getreten!
    Und ein Zorn, ein wahnsinniger, rasender Zorn erfaßte das Herz des mächtigen Magnaten. Seine Nüstern blähten sich auf; seine Augen sprühten Funken, die Adern auf der Stirn drohten von Blut gefüllt zu springen. Wer hatte den Mut, sich seinem Willen zu widersetzen? Seine zügellose Phantasie zeigte ihm eine Reihe von Strafen und Martern für die Rebellen, die sich erdreisteten, seinen Fußspuren nicht zu folgen wie Hunde. Und er sah ihr Blut tropfenweise von den Beilen des Scharfrichters herunterrinnen, er hörte ihre Knochen unter dem Rade brechen und weidete sich an diesem Schauspiel.
    Aber bald siegte der kühle Verstand wieder über all die phantastischen Träumereien. Er wußte, daß hinter diesen Rebellen ein Heer stand, und daß es unmöglich war, sie straflos hinzurichten. Und eine furchtbare Unruhe erfüllte seine Seele, und wieder begann es in seinem Ohre zu flüstern: »Verlassenheit, Bettelarmut, Gericht und Schande.«
    »Darf ein Radziwill wirklich nicht mal über das Schicksal Litauens verfügen? Darf er es nicht Karl-Gustav geben oder es für Jan-Kasimir festhalten. Darf er nicht geben, versagen, schenken, wie es ihm beliebt?«
    Der Magnat sah sich verwundert um.
    »Sind die Radziwills denn nicht mächtig genug? Steht hinter dem Großhetman nicht Fürst Boguslaw mit seinen Regimentern, hinter ihm nicht sein Onkel, der Kurfürst von Brandenburg? Und hinter allen dreien nicht Karl-Gustav, der schwedische König, mit seiner Macht, vor der noch unlängst ganz Deutschland erzitterte? Und in der Not blieb noch die Hilfe Chmielnickis, des Gospodars der Wallachei, und Racoczys von Siebenbürgen«
    Was konnten gegen all diese der Witebsker Wojewod, Pan Stankiewicz, Pan Mirski, ein paar Schlachtschitzen und einige aufrührerische Banner ausrichten? War es nicht ein

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