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Sintflut

Sintflut

Titel: Sintflut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk Sienkiewicz
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erzählen,« fiel Kmicic erregt ein.
    »Gemach, gemach!« beruhigte ihn der Fürst. »Sehen Sie, Pan Miecznik, was für ein Hitzkopf er ist. Zwar hat er ja schöne Streiche gemacht, aber da er unter meiner besonderen Protektion steht, und wenn Sie noch ein gutes Wort für ihn einlegen, so wird es uns beiden doch gelingen, für ihn bei dem Richter Gnade zu erwirken.«
    »Ihre Durchlaucht werden alles erreichen, was Sie wünschen,« antworte Pan Billewicz.
    »Nun, so führen Sie mich zu Ihrer Verwandtin. Ich werde recht erfreut sein, Panna Billewicz wieder zu sehen. Möge Pan Heraklus' Traum in Erfüllung gehen!« »Mit Freuden werde ich Eurer Durchlaucht dienen! – Das Mädchen sitzt dort mit einer Verwandten von ihr, Pani Wojnillowicz. Ich bitte nur Euer Durchlaucht, sie nicht streng zu richten, wenn sie verlegen wird; ich hatte noch keine Zeit, zu ihr davon zu sprechen.«
    Zum Glück sah Alexandra Pan Andreas schon von weitem, als er sich ihr mit dem Fürsten näherte. So gewann sie Zeit, sich etwas zu fassen. Sie wurde bleich, und ihre Füße begannen zu zittern. Lange wollte sie ihren Augen nicht trauen und blickte auf den jungen Ritter wie auf einen Geist vom Jenseits. Sie hatte geglaubt, daß dieser Unglückliche irgendwo in den Wäldern umherstreiche, ohne Obdach, verfolgt wie ein wildes Tier, oder daß er im Gefängnisse sehnsüchtigen Auges durch die vergitterten Fenster auf die Gotteswelt blicke. Gott allein kannte den Schmerz, der damals ihr Herz erfüllte, nur Gott allein wußte, wieviele Tränen sie über sein schreckliches, wenngleich nicht unverdientes Geschick vergossen hatte. – Und jetzt sieht sie ihn hier in Kiejdane frei und stolz an der Seite des Hetmans, in Brokat und Samt gekleidet, den Oberstenstab im Gürtel, mit hoch erhobenem Haupte und gebieterischem Lächeln auf dem Gesichte. Und der Hetman selbst stützte sich vertraulich auf seine Schulter.
    Sich widersprechende Gefühle durchzogen die Seele des jungen Mädchens; eine Erleichterung, als wenn jemand eine große, sie bedrückende Last von ihren Schultern herunternähme; ein unbestimmtes Bedauern über so viele unnütz vergossene Tränen und soviel Kummer; eine Unzufriedenheit, wie sie jeder rechtlich empfindende Mensch fühlt, wenn er schwere Sünden und Vergehen unbestraft sieht, und eine Freude, gemischt mit einer an Furcht grenzenden Bewunderung für diesen Mann, der es vermochte, sich aus einer so verzweifelten Lage herauszufinden.
    Der Fürst, der Miecznik und Kmicic näherten sich Alexandra. Das Mädchen senkte die Augen, und ohne zu sehen, fühlte sie, daß die Herren näher und näher kamen und dicht vor ihr stehen blieben. Sie erhob sich entschlossen und verbeugte sich tief.
    Der Fürst stand ihr wirklich gegenüber.
    »Wahrhaftig, ich schwöre,« sprach er, »jetzt kann ich mich nicht mehr über den jungen Mann wundern. Ich bewillkommne Sie, Enkelin meines geliebten Billewicz! Erkennen Sie mich noch?«
    »Ich erkenne Euer Durchlaucht!« antwortete das Mädchen.
    »Aber ich hätte Sie nicht erkannt, weil ich Sie zum letztenmal sah, als Sie noch ein Kind waren. Schlagen Sie nur ruhig Ihre Augen auf! Bei Gott! glücklich ist der Taucher, der solch eine Perle herausholt! Wehe dem Unglücklichen, der sie einmal besaß und dann verlor! – – Solch ein Unglücklicher steht in der Person dieses Ritters jetzt vor Ihnen, – erkennen Sie ihn auch?«
    »O ja,« flüsterte Alexandra und senkte wieder die Augen.
    »Er ist ein großer Sünder, ich bringe ihn zu Ihnen zur Beichte. Legen Sie ihm eine Buße auf, die Ihnen beliebt; aber versagen Sie ihm nicht die Absolution, damit die Verzweiflung ihn nicht zu noch größeren Sünden treibe. – Lassen wir die jungen Leute allein,« wandte sich der Fürst an den Miecznik und Pani Wojnillowicz, »es geziemt dem dritten nicht, einer Beichte beizuwohnen.«
    Pan Andreas und Alexandra blieben allein.
    Ihr Herz schlug wie das einer Taube, über der der Habicht seine Kreise zieht. Auch er war sehr aufgeregt; seine sonstige Sicherheit im Auftreten verließ ihn vollständig.
    Lange Zeit standen sie schweigend beieinander, dann begann er mit dumpfer Stimme:
    »Sie erwarteten nicht, mich hier zu sehen?«
    »Nein,« antwortete kaum hörbar das Mädchen.
    »Wahrhaftig, ich glaube, wenn neben Ihnen ein Tatar stände, wären Sie nicht weniger erschrocken. – Fürchten Sie sich nicht! Sehen Sie nur, wieviele Menschen um uns herum sind. Und selbst, wenn wir beide allein wären, brauchten Sie doch nichts zu

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