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Sinuhe der Ägypter

Sinuhe der Ägypter

Titel: Sinuhe der Ägypter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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gehen wir nicht heute; denn heute ist nach der Überlieferung dieses Landes ein schlechter Tag: die Kaufleute haben ihre Geschäfte geschlossen, die Menschen ruhen sich in ihren Wohnstätten aus, niemand arbeitet, weil doch alles mißlingen würde, da es der siebente Wochentag ist.«
    Ich kam zum Schluß, daß Kaptah wohl recht hatte, denn wenn auch für die Ägypter alle Tage mit Ausnahme der von den Astronomen als ungünstig bezeichneten gleich sind, so war vielleicht in diesem Lande jeder siebente Tag auch für einen Ägypter ein schlechter Tag, so daß es besser war, das Gewisse dem Ungewissen vorzuziehen. Deshalb sprach ich zum Diener des Königs: »Du hältst mich gewiß für einen törichten Fremdling, daß du von mir forderst, an einem solchen Tag vor den König zu treten. Morgen aber komme ich, falls dein König mich in einer Sänfte holen läßt. Ich bin ein achtenswerter Mann und will nicht mit Eseldreck zwischen den Zehen vor ihn hintreten.« Der Diener sagte: »Ich fürchte, du schmutziger Ägypter, daß dich Speerspitzen im Hintern kitzeln werden, wenn du vor den König geführt wirst.« Aber er ging seines Weges, und sicherlich hatte er Achtung vor mir; denn am folgenden Tag holte man mich mit der königlichen Sänfte in der Herberge ab. Aber es war eine ganz gewöhnliche Sänfte, in der Kaufleute und andere Leute niedrigen Standes in den Palast gebracht wurden, um Schmuck und Federn und Affen vorzuführen. Deshalb rief Kaptah den Trägern und dem Vorläufer mit lauter Stimme zu: »Im Namen Seths und aller Teufel, möge Marduk euch mit Skorpionen stechen! Macht, daß ihr fortkommt! Es schickt sich wahrlich nicht für meinen Herrn, sich in einen solchen Rumpelkasten zu setzen.« Die Träger waren verblüfft, der Vorläufer drohte Kaptah mit seinem Stab, und vor der Herberge sammelte sich eine Menge Menschen an. Sie lachten und riefen: »Wahrlich, wir wollen deinen Herrn sehen, dem eine königliche Sänfte nicht gut genug ist!« Aber Kaptah mietete die große Sänfte der Herberge, die von vierzig starken Sklaven getragen und von den in wichtigen Aufträgen reisenden Gesandten der Großmächte benützt wurde und auch zum Tragen der fremden Götter diente, wenn sie der Stadt einen Besuch abstatteten. Den Leuten verging das Lachen, als ich aus meinem Zimmer herunterkam, in ein Gewand gekleidet, auf das viele mit dem Arztberuf zusammenhängende Figuren in Gold und Silber gestickt waren, während mein Kragen im Sonnenschein von Gold und Edelsteinen blitzte, goldene Ketten an meinem Hals klirrten, und die Sklaven der Herberge mit Elfenbein eingelegte Schreine aus Zedern- und Ebenholz hinter mir hertrugen, in denen ich meine Heilmittel und Instrumente aufbewahrte. Nein, die Leute lachten wahrlich nicht mehr; sie verneigten sich tief vor mir und sprachen zueinander: »Dieser Mann ist zweifellos den kleinen Göttern an Weisheit ebenbürtig. Folgen wir ihm zum Palast!« So kam es, daß eine große Menschenmenge der Sänfte bis zu den Toren des Palastes folgte. Vor der Sänfte ritt Kaptah auf einem weißen Esel, an dessen Geschirr Silberschellen klingelten. Doch nicht meinetwegen, sondern Haremhab zuliebe trat ich so auf; denn er hatte mir viel Gold gegeben, und meine Augen waren seine Augen und meine Ohren seine Ohren.
    Vor den Toren des Palastes zersprengten die Soldaten mit ihren Speeren die Volkshaufen und hoben ihre Schilde zum Schutz der Tore. So bildeten die Schilde eine Mauer aus Gold und Silber, und beflügelte Löwen bewachten den Weg, auf dem ich in der Sänfte bis in die Innenhöfe des Palastes getragen wurde. Hier kam mir ein alter Mann entgegen, dessen Kinn wie dasjenige eines Gelehrten rasiert war. An seinen Ohren glänzten goldene Ringe, seine Wangen hingen mürrisch herab, und er betrachtete mich mit zornigen Augen, indem er sprach: »Meine Leber ist rasend über all den Lärm und Unfug, den du durch deine Ankunft verursachst. Der Herrscher aller vier Erdteile fragt bereits, wer der Mann sei, der erst kommt, wenn es ihm und nicht wenn es dem König paßt, und der so viel Aufsehen verursacht.«
    Ich entgegnete ihm: »Alter Mann! Deine Rede ist wie Fliegengesumm in meinen Ohren; doch frage ich dich: Wer bist du, daß du mich so anredest?« Er sagte: »Ich bin der Leibarzt des Herrschers über die vier Erdteile und der Erste seiner Ärzte. Was für ein Schwindler bist du, der du daherkommst, um dem König mit deinen Künsten Gold und Silber abzulocken? Wisse indes, daß du mir die Hälfte abzuliefern

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