Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sinuhe der Ägypter

Sinuhe der Ägypter

Titel: Sinuhe der Ägypter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
Vom Netzwerk:
Schädel geöffnet hatte, hatte der Teufel oder der böse Geist der Krankheit, wie Ptahor mich gelehrt, sein Ei gelegt. Es war rot und häßlich und von der Größe eines Schwalbeneis. Unter Aufwand meiner ganzen Geschicklichkeit löste ich es heraus und brannte alles, was es am Hirn festhielt, weg. Das Ei zeigte ich dann den Ärzten. Sie lachten jetzt nicht mehr. Den Schädel aber verschloß ich mit einer Silberplatte und nähte die Kopfhaut darüber zu. Der Patient, der während der ganzen Operation bei vollem Bewußtsein gewesen war, erhob sich, ging umher und dankte mir überschwenglich; denn er vernahm das schreckliche Sausen in den Ohren nicht mehr, und auch die Schmerzen hatten aufgehört.
    Dank dieser Tat wuchs mein Ruf im ganzen Lande Mitani und lief mir bis nach Babylon voraus. Mein Patient aber begann Wein zu trinken und sein Herz zu erquicken, sein Leib wurde heiß, er fing an, irrezureden, und im Fieber floh er am dritten Tag aus seinem Bett und fiel von der Mauer, wobei er sich das Genick brach und starb. Alle jedoch sagten, daß es nicht meine Schuld sei, und sie priesen meine Kunst.
    Kaptah und ich aber mieteten ein Ruderboot und fuhren flußabwärts zur Stadt Babylon.

    2

    Das von Babylon beherrschte Land besitzt viele Namen; ein Teil heißt Chaldäa, ein anderer das Land der Kassiten. Ich aber nenne es Babylonien, denn dann weiß ein jeder, von welchem Lande die Rede ist. Es ist ein fruchtbares Land, seine Äcker sind von Bewässerungskanälen durchzogen, und so weit das Auge reicht, ist alles Ebene, nicht wie in Ägypten, wie denn auch alles andere hier verschieden ist. Während zum Beispiel die Frauen in Ägypten das Getreide, auf dem Boden kniend, mit einem runden Stein, den sie drehen, mahlen, zerreiben es die Frauen Babyloniens, sitzend zwischen zwei Steinen, was natürlich bedeutend mühsamer ist.
    In diesem Lande wachsen so wenig Bäume, daß es als ein Verbrechen gegen die Götter und die Menschen betrachtet wird, einen Baum zu fällen. Wer es dennoch tut, wird vom Gesetz bestraft. Wer hingegen Bäume anpflanzt, sichert sich die Gunst der Götter. Auch sind die Menschen in Babylonien beleibter und fettglänzender als in irgendeinem andern Lande, und sie lachen viel, wie das bei dicken Leuten üblich ist. Sie essen schwerverdauliche Mehlspeisen, und ich sah bei ihnen einen Vogel, der nicht fliegen konnte, sondern bei den Menschen wohnte und ihnen zum Geschenk jeden Tag ein Ei legte, ungefähr so groß wie ein Krokodil – obwohl ich weiß, daß mir das niemand glauben wird. Von diesen Eiern bot man mir auch zum Essen an; die Bewohner Babyloniens hielten sie für einen großen Leckerbissen. Ich wagte jedoch nicht, sie anzurühren – denn Vorsicht währt am längsten –, sondern begnügte mich mit Gerichten, die ich kannte und von denen ich zumindest wußte, wie sie zubereitet waren.
    Die Bewohner des Landes behaupteten, Babylon sei die größte und älteste aller Städte der Welt, was ich ihnen zwar nicht glaubte, da ich wußte, daß Theben die älteste und größte Stadt der Welt war. Ich behaupte auch heute noch, daß es in der ganzen Welt keine Stadt wie Theben gibt, wenn ich auch zugebe, daß Babylon mich durch seine Größe und seinen Reichtum überraschte. Schon die Mauern der Stadt waren berghoch und schreckerregend, und der Turm, den die Babylonier ihren Göttern errichtet hatten, ragte bis zum Himmel. Die Häuser waren in vier bis fünf Stockwerken aufgeführt, so daß die Menschen über- und untereinander wohnten und lebten, und nirgends, nicht einmal in Theben, habe ich so reiche Geschäfte und einen solchen Überfluß an Waren gesehen wie in den Handelshäusern des Tempels zu Babylon.
    Ihr Gott hieß Marduk, und zu Ehren der Göttin Ischtar hatten sie eine Pforte gebaut, die größer als der Pylon des Ammontempels war, und diese mit farbigen, glasierten Ziegeln bekleidet, die zu Bildern zusammengesetzt waren und im Sonnenschein das Auge blendeten. Von dieser Pforte führte eine breite Straße zum Mardukturm. Dieser war terrassenförmig abgestuft, und ein Weg führte bis zu seiner Spitze und war so flach und breit, daß ihn mehrere Wagen nebeneinander befahren konnten. Zuoberst im Turm aber wohnten die Sterndeuter, die alles über die Himmelskörper wußten und deren Bahnen berechneten und die günstigen wie die ungünstigen Tage verkündeten, so daß ein jeder sein Leben danach einrichten konnte. Angeblich konnten sie auch die Zukunft eines Menschen voraussagen. Zu diesem Zweck

Weitere Kostenlose Bücher