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Sinuhe der Ägypter

Sinuhe der Ägypter

Titel: Sinuhe der Ägypter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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aber mußte man Tag und Stunde seiner Geburt genau kennen, weshalb ich ihre Kunst nicht auf die Probe stellen konnte, so gerne ich es auch getan hätte; den meine genaue Geburtsstunde war mir unbekannt.
    Ich konnte gegen meine Lehmtafeln beliebig viel Gold bei der Tempelkasse erheben. Deshalb ließ ich mich in der Nähe der Ischtarpforte in einer riesigen, mehrstöckigen Herberge nieder, auf deren Dach Obstbäume und Myrtensträucher wuchsen, Bäche rauschten und Fische in Teichen schwammen. Die Vornehmen, die von ihren Landgütern nach Babylon kamen, wohnten, falls sie kein eigenes Haus in der Stadt besaßen, in dieser Herberge, und auch die ausländischen Gesandten wohnten hier. Die Böden der Zimmer waren mit dicken Teppichen ausgelegt, die Ruhelager mit weichen Tierfellen bedeckt und die Wände mit fröhlichen, leichtfertigen Bildern aus glasierten Ziegeln geschmückt. Dieses Haus trug den Namen »Ischtars Freudenherberge« und gehörte zum Turm der Gottheit wie alle anderen hervorragenden Bauten in Babylon. Wenn man alle seine Bewohner wie auch die Dienerschaft zusammenzählt, so glaube ich, daß in diesem Haus allein ebenso viele Menschen wohnten wie in einem ganzen Stadtteil Thebens.
    An keinem anderen Ort der Welt sieht man so viele verschiedene Menschen wie in Babylon, und nirgends hört man so viele verschiedene Sprachen in den Straßen wie hier. Die Bewohner Babylons sagen selbst, daß alle Wege in ihre Stadt führen und daß diese der Mittelpunkt der Welt sei. Sie versichern nämlich, daß ihr Land nicht, wie man in Ägypten glaubt, am Rande der Erde liege, sondern daß es im Osten, hinter den Bergen, andere mächtige Reiche gebe, aus denen zuweilen bewaffnete Karawanen mit seltsamen Waren und Stoffen und kostbaren, zerbrechlichen Gefäßen nach Babylon kämen. Auch muß ich erwähnen, daß ich in Babylon Menschen mit gelben Gesichtern und Schlitzaugen sah, und diese Gesichter waren keineswegs gefärbt. Diese Menschen trieben Handel und verkauften Stoffe, die so dünn, aber noch glatter als königliches Linnen waren und wie reines Öl in allen Farben erglänzten.
    Denn die Einwohner Babylons sind vor allem Kaufleute und achten nichts höher als den Handel, so daß sogar ihre Götter untereinander Geschäfte machen. Aus diesem Grund lieben sie auch den Krieg nicht, sondern halten Söldnertruppen und errichten Mauern bloß zum Schutz ihres Handels und wünschen, daß die Wege allen Völkern und allen Ländern offenstehen. Dies wünschen sie jedoch vor allem deshalb, weil sie wissen, daß sie die besten Kaufleute der Welt sind und größeren Nutzen aus dem Handel als aus der Kriegführung ziehen. Trotzdem sind sie stolz auf die Soldaten, die ihre Stadtmauern und Tempel bewachen und täglich mit ihren gold- und silberglänzenden Helmen und Brustledern zur Pforte Ischtars marschieren. Ihre Schwertgriffe und Speerspitzen sind zum Zeichen ihres Reichtums mit Gold und Silber überzogen. Und sie fragten: »Hast du, Fremdling, jemals solche Soldaten und solche Streitwagen gesehen?«
    Der König von Babylon war bei seiner Thronbesteigung noch ein bartloser Knabe, der sich einen falschen Bart umhängen mußte. Sein Name war Burnaburiasch. Er liebte Spielsachen und seltsame Geschichten. Mein Ruf war mir von Mitani nach Babylon vorausgeeilt, und als ich mich in Ischtars Freudenherberge einquartiert und den Tempel besucht hatte, wo ich mich mit den Priestern und Ärzten des Turmes unterhielt, brachte mir ein Bote eine Einladung des Königs. Wie gewöhnlich regte sich Kaptah auf und sagte: »Geh nicht hin! Laß uns zusammen fliehen! Von den Königen kommt nichts Gutes.« Ich aber antwortete: »Dummkopf, hast du denn vergessen, daß wir den Skarabäus bei uns haben?«
    Er meinte: »Skarabäus hin, Skarabäus her, natürlich habe ich ihn nicht vergessen, aber wir tun besser daran, das Gewisse dem Ungewissen vorzuziehen und die Geduld des Skarabäus nicht allzusehr auf die Probe zu stellen. Bist du jedoch fest entschlossen zu gehen, so kann ich dich nicht daran hindern, sondern folge dir, damit wir wenigstens gemeinsam sterben. Sollten wir entgegen aller Wahrscheinlichkeit doch noch einmal nach Ägypten zurückkommen, will ich erzählen können, wie ich vor dem König von Babylonien auf dem Bauch lag. Es wäre also einfältig von mir, die Gelegenheit nicht zu nützen. Doch wenn wir wirklich hingehen, dürfen wir unserer Würde nichts vergeben, und du mußt verlangen, in einer königlichen Sänfte abgeholt zu werden. Auch

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