Sinuhe der Ägypter
nassen Haar und der über das ganze Gesicht bis zu den Ohren verschmierten Schminke deiner Augen und Lippen.«
Meine Worte schienen Eindruck auf sie zu machen; denn sie befühlte ihr Haar und befeuchtete eine Fingerspitze am Mund, um sich damit über Augenbrauen und Lippen zu streichen. Ihr Gesicht war klein und schön und lächelte mich an, während sie mit sanfter Stimme sagte: »Ich heiße Minea – damit du mich beim Namen nennen kannst, wenn du mich von hier entführst und wir zusammen aus diesem bösen Lande fliehen.«
Erbost über ihre Frechheit, hob ich die Hände und verließ sie rasch; aber ihr Gesicht verfolgte mich, so daß ich wieder zu ihr zurückkehrte und sprach: »Minea, ich gehe zum König, um ein gutes Wort für dich einzulegen. Mehr kann ich nicht für dich tun. Du aber sollst dich inzwischen ankleiden und beruhigen. Wenn du willst, gebe ich dir ein Mittel, das dich für alles, was mit dir geschieht, vollständig gleichgültig werden läßt.«
Sie aber erwiderte: »Unterstehe dich, wenn du es wagst! Doch da du dich meiner Sache annimmst, übergebe ich dir das Messer, das mich bisher geschützt hat. Ich weiß, daß du mich nun, da ich ohne Messer bin, nicht betrügen, sondern beschützen und entführen und mit mir aus diesem Lande fliehen wirst.« Lächelnd legte sie das Messer in meine Hand, obgleich ich rief: »Ich will dein Messer nicht, du tolles Mädchen!« Ich wollte es ihr zurückgeben; aber sie ließ es sich nicht wieder aufzwingen, sondern blickte mich nur lächelnd unter ihren nassen Haaren an, bis ich, mit dem Messer in der Hand, beschämt von dannen schlich. Ich merkte, daß sie klüger war als ich und, indem sie mir das Messer anvertraute, ihr Schicksal mit dem meinigen verknüpfte, so daß ich sie nicht länger meiden konnte.
Bei meiner Rückkehr aus dem Frauenhaus kam mir Burnaburiasch entgegen und fragte voll Neugier, was geschehen sei. »Deine Eunuchen haben ein schlechtes Geschäft gemacht«, erklärte ich ihm, »denn Minea, das Mädchen, das sie dir gekauft haben, rast und will sich keinen Mann nahekommen lassen, weil ihr Gott es nicht gestattet. Du tust daher am besten, das Mädchen in Ruhe zu lassen, bis es von selbst auf andere Gedanken kommt.«
Burnaburiasch aber lachte fröhlich und sagte: »Wahrlich, sie wird mir viel Vergnügen bereiten! Ich kenne diese Gattung und weiß, daß sie am besten mit dem Stock zur Vernunft zu bringen ist. Ich bin noch jung und bartlos und ermüde daher leicht, wenn ich mit Frauen beisammen bin. Hingegen bereitet es mir eine größere Belustigung, zuzusehen, wie die Eunuchen sie mit dünnen Ruten schlagen, und ihr Gejammer dabei anzuhören. Deshalb gefällt mir dieses widerspenstige Geschöpf besonders gut, und ich schwöre, daß seine geschwollene Haut es schon heute nacht am Liegen auf dem Rücken hindern wird, was mir die größte Freude“ bereiten wird.« Händereibend und kichernd wie ein Mädchen verließ er mich. Während ich ihm nachblickte, erkannte ich, daß er nicht mehr mein Freund und ich ihn nicht länger gutgesinnt war. Mineas Messer aber ruhte noch in meiner Hand.
5
Nach diesem Ereignis konnte ich mich nicht mehr freuen, obwohl der Palast und seine Vorhöfe von Menschen wimmelten und das Volk, über Kaptahs unaufhörliche Einfälle laut jubelnd, Wein und Bier trank. Denn Kaptah hatte die im Frauenhaus ausgestandenen Unannehmlichkeiten bereits vergessen, und sein blaugeschlagenes Auge war mit Scheiben frischen Fleisches behandelt worden, so daß es, wenn auch in allen Farben prangend, nicht mehr schmerzte. Was aber in mir vorging, das verstand ich selber nicht.
Ich dachte daran, daß ich in Babylon noch manches zu lernen hatte, da mein Studium der Schafsleber noch nicht beendet war und ich noch nicht in der Weise der Priester Öl in Wasser gießen konnte. Burnaburiasch war mir sehr viel für meine Heilkunst und meine Freundschaft schuldig, und ich wußte, daß er mir zum Abschied große Geschenke machen würde, falls ich sein Freund blieb. Doch je mehr ich darüber nachsann, um so mehr quälte mich die Erinnerung an Minea – trotz ihrer Dreistigkeit gegen mich. Ich dachte auch an Kaptah, der einer dummen Anwandlung des Königs zufolge an diesem Abend sterben sollte, weil der Herrscher ihn, meinen Diener, ohne meine Erlaubnis zum Narrenkönig ausersehen hatte.
So verhärtete sich mein Herz. Ich dachte, nachdem sich Burnaburiasch gegen mich vergangen habe, sei ich in meinem vollen Recht, ihm mit gleicher Münze
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