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Sinuhe der Ägypter

Sinuhe der Ägypter

Titel: Sinuhe der Ägypter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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heimzuzahlen, obwohl mein Gemüt mir sagte, daß der bloße Gedanke daran schon einen Verstoß gegen alle Gesetze der Freundschaft bedeutete. Aber ich war schließlich fremd und einsam und brauchte mich nicht durch die guten Sitten binden zu lassen. Als der Abend nahte, begab ich mich ans Ufer, mietete ein Boot mit zehn Ruderern und sagte zu ihnen: »Heute ist der Tag des falschen Königs; ich weiß, daß ihr von Bier und Freude berauscht seid und daher nicht gern eine Wasserfahrt unternehmt. Aber ich werde euch doppelte Geschenke machen. Mein reicher Onkel ist gestorben, und ich muß seinen Leib zu seinen Vätern bringen; dies so rasch wie möglich, bevor seine eigenen Kinder und mein Bruder sich um das Erbe zu streiten beginnen und mich leer ausgehen lassen. Deshalb werde ich euch reichlich belohnen, wenn ihr den allerdings weiten Weg schneller als gewöhnlich zurücklegt. Unsere Vorfahren sind nämlich in der Erde unseres einstigen Familienbesitzes unweit der Grenze des Landes Mitani versammelt.«
    Die Ruderer murrten; aber ich kaufte ihnen zwei Krüge Bier und sagte, sie dürften bis zum Sonnenuntergang trinken, wenn sie sich sofort nach Einbruch der Dunkelheit zur Abfahrt bereithielten. Da widersprachen sie mir heftig: »Auf keinen Fall rudern wir im Dunkeln! Die Nacht ist voll von großen und kleinen Teufeln und bösen Geistern, die uns mit ihren Rufen erschrecken, das Boot umkippen oder uns töten werden.«
    Aber ich erwiderte: »Ich werde im Tempel Opfer bringen, damit uns nichts Schlimmes auf der Reise widerfährt, und der Klang des Silbers, das ich euch nach glücklich beendeter Fahrt geben werde, wird euch für das Geheul der Teufel taub machen.«
    Ich ging denn auch zum Turm und opferte im Vorhof ein Schaf. Es waren wenig Menschen im Tempel, weil sich das ganze Volk um den Palast versammelt hatte, um den Tag des falschen Königs zu feiern. Ich untersuchte die Schafsleber; aber meine Gedanken waren so verworren, daß mir die Leber nichts Besonderes verriet. Ich merkte nur, daß sie dunkler als gewöhnlich war und schlecht roch, weshalb mich böse Ahnungen befielen. Ich zapfte das Blut des Schafes in einen ledernen Sack ab, den ich unter dem Arm in den Palast trug. Als ich das königliche Frauenhaus betrat, flog eine Schwalbe an mir vorüber und wärmte mir das Herz und verlieh mir neuen Mut; denn sie war ein Vogel aus meiner Heimat, was ich für ein gutes Vorzeichen hielt.
    Zu den Eunuchen des Frauenhauses aber sprach ich: »Laßt mich mit dem verrückten Weib allein, damit ich ihr den Teufel austreibe.« Sie gehorchten und führten mich in ein kleines Gemach, wo ich Minea erklärte, was sie zu tun habe, und ihr das Messer und den mit Blut gefüllten Ledersack aushändigte. Sie versprach, meine Weisung zu befolgen, worauf ich sie verließ und, die Tür hinter mir schließend, den Eunuchen erklärte, niemand dürfe sie stören, weil ich ihr eine Arznei verabreicht habe, die den Teufel in ihr austreiben solle. Dieser könne leicht in den ersten besten fahren, der ohne meine Erlaubnis die Tür öffne. Sie schenkten meinen Worten ohne weiteres Glauben.
    Die Sonne war im Untergehen, und das Licht in allen Räumen des Palastes rot wie Blut. Kaptah saß und trank von neuem, während ihn Burnaburiasch lachend und kichernd bediente. Überall lagen Männer, hohen wie niedrigen Rangs, in Weinlachen am Boden und schliefen ihren Rausch aus. Ich wandte mich an Burnaburiasch und sprach: »Ich möchte mich davon überzeugen, daß Kaptah einen schmerzlosen Tod erleiden wird; denn er ist mein Diener, und ich bin für ihn verantwortlich.« Burnaburiasch antwortete: »Da mußt du dich beeilen! Der alte Mann mischt bereits Gift in den Wein, und dein Diener wird sterben, wie es die Sitte fordert, sobald die Sonne am Horizont verschwindet.«
    Ich suchte den alten Mann, den Leibarzt des Königs, auf; er schenkte meinen Worten Glauben, als ich vorgab, vom König geschickt zu sein, und er summte und plapperte vor sich hin: »Es ist wirklich besser, du mischest selber das Gift; denn meine Hände zittern vom Weingenuß, und meine Augen sind von Tränen verschleiert, so daß ich nicht klar sehe. Ach, ich habe heute so viel über die albernen Einfälle deines verrückten Dieners lachen müssen.« Ich goß seine Mischung aus und tat Mohnblumensaft in den Wein, doch nicht in solcher Menge, daß er Kaptah töten konnte. Dann überbrachte ich Kaptah den Becher mit den Worten: »Kaptah, es ist möglich, daß wir uns nie mehr wiedersehen.

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