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Sinuhe der Ägypter

Sinuhe der Ägypter

Titel: Sinuhe der Ägypter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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Der Hochmut ist dir so zu Kopf gestiegen, daß du mich morgen wahrscheinlich nicht mehr kennen wirst. Leere daher diesen Becher, den ich dir anbiete, damit ich bei meiner Rückkehr nach Ägypten erzählen kann, daß du, der Herr über die vier Erdteile, mein Freund bist. Und wenn du getrunken, denke daran, daß ich es stets gut mit dir meine, was immer auch geschehen mag, und entsinne dich unseres Skarabäus.«
    Kaptah sprach: »Die Rede dieses Ägypters wäre wie Fliegengesumm in meinen Ohren, wenn diese nicht bereits so voll vom Brausen des Weines wären, daß ich nicht mehr höre, was er sagt. Doch ich bin, wie jedermann weiß, nie ein Verächter eines guten Bechers gewesen, was ich auch meinen Untertanen, die mir Wohlgefallen, heute nach Kräften bewiesen habe. Deshalb werde ich den Becher, den du mir anbietest, leeren, obwohl ich weiß, daß morgen Wildesel in meinem armen Schädel rumoren werden.« Er leerte den Becher, und im selben Augenblick ging die Sonne unter; da wurden Fackeln hereingebracht, die Lampen angezündet, und alle erhoben sich stumm, so daß lautloses Schweigen im Palast herrschte. Kaptah aber riß sich die Kopfbedeckung des babylonischen Königs vom Haupt und sprach: »Diese verfluchte Krone lastet auf meinem Haupt, und ich habe sie satt. Meine Beine sterben ab, meine Augenlider sind wie Blei; darum will ich mich zu Bett begeben.« Er zog das schwere Tischtuch über sich und legte sich auf den Boden, um zu schlafen; dem Tischtuch aber folgten Krüge und Becher, die sich über ihn entleerten, so daß er tatsächlich bis zum Hals in Wein badete, wie er am Morgen vorausgesagt hatte. Die Diener des Königs entkleideten ihn und zogen die weinbefleckten Gewänder Burnaburiasch an, setzten diesem die königliche Kopfbedeckung auf, reichten ihm die Abzeichen seiner Macht und hoben ihn auf den Thron.
    »Das war ein ermüdender Tag«, erklärte Burnaburiasch, »aber ich habe trotzdem beobachtet, daß der eine oder andere mir im Laufe des Spieles nicht die nötige Achtung erwiesen hat, wahrscheinlich in der Hoffnung, ich werde an heißer Fleischbrühe ersticken. Jagt daher die Kerle da am Boden mit Peitschen hinaus, und legt diesen Narren, falls er schon tot ist, in den Krug der Ewigkeit; ich bin seiner überdrüssig.« Sie drehten Kaptah auf den Rücken, und der Leibarzt untersuchte ihn mit vom Wein zitternden Händen und verschleierten Augen und versicherte: »Wahrlich, dieser Mann ist tot wie ein zertretener Mistkäfer.« Da brachten die Diener einen riesigen Lehmkrug herein, wie ihn die Babylonier zum Aufbewahren ihrer Toten benützten, und Kaptah wurde hineingelegt und der Krug mit Lehm verschlossen. Der König befahl, ihn zu den übrigen unter dem Palast ruhenden falschen Königen zu tragen, wie es die Sitte verlange. Da aber griff ich ein: »Dieser Mann war wie ich ein beschnittener Ägypter. Deshalb muß ich seinen Leib nach ägyptischer Sitte einbalsamieren, damit er dem Tod widerstehe, und ihn mit allem Nötigen für die Reise in das Land des Westens ausrüsten, damit er nach dem Tod essen und trinken und sich ergötzen kann, ohne Arbeit verrichten zu müssen. Dieses Geschäft währt dreißig oder siebzig Tage, je nach dem Rang, den der Tote zu Lebzeiten innehatte. Mit Kaptah glaube ich allerdings in dreißig Tagen fertig zu werden, da er nur mein Diener war. Alsdann bringe ich ihn hierher zurück und bestatte ihn neben seinen Vorgängern, den falschen Königen, in der Gruft unter deinem Hause.«
    Burnaburiasch hörte neugierig zu und meinte: »Deine Bitte sei gewährt, obwohl ich deine Mühe für vergeblich halte: ein Mensch, der gestorben ist, liegt der Länge nach ausgestreckt, und sein ruheloser Geist irrt überall umher und nährt sich von Straßenkehricht, falls die Angehörigen seinen Leichnam nicht in einer Lehmurne in ihrem Haus aufbewahren, wo er sich an ihren Mahlzeiten beteiligen kann. So ergeht es allen außer mir, der ich ein König bin und den die Götter sofort nach dem Tod bei sich aufnehmen, wo ich mich nach meinem Hinscheiden nicht noch wie andere um meine Grütze und mein Bier zu kümmern brauche. Behandle ihn, wie du willst und wie es die Sitten deines Landes fordern. Ich streite nicht über Sitten, sondern rufe sogar Götter an, die ich nicht kenne, und bitte sie um Vergebung für Sünden, die ich nicht einmal begangen. Vorsicht ist eine Tugend!«
    Ich hieß die Diener, den Lehmkrug mit Kaptahs Leiche in die Sänfte tragen, die an der Mauer des Palastes für mich

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