Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sinuhe der Ägypter

Sinuhe der Ägypter

Titel: Sinuhe der Ägypter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
Vom Netzwerk:
plötzlich ein Geräusch aus der Totenurne im Vorderteil des Schiffes vernehmen. Es war Kaptah, der an die Innenwand des Kruges klopfte und mit heiserer Stimme Schreie und Flüche auszustoßen begann. Die Ruderer wurden vor Entsetzen grau im Gesicht, und einer nach dem anderen sprang ins Wasser, schwamm eilig weg und verschwand aus meinen Augen. Das Boot schwankte und geriet ins Treiben; doch gelang es mir, es ans Ufer zu steuern, wo ich den Ankerstein auswarf. Minea kam, ihr Haar kämmend, aus der Kabine, und im selben Augenblick legte sich meine Furcht; denn sie war schön, die Sonne schien, und die Störche klapperten im Schilf. Ich ging zum Krug, zerbrach den Lehmdeckel und rief mit lauter Stimme: »Erhebe dich, du Mann, aus deiner Urne!«
    Da streckte Kaptah seinen Wuschelkopf aus der Öffnung hervor und starrte um sich. Nie habe ich einen verdutzteren Menschen gesehen. Er jammerte und fragte: »Was ist das für ein Streich? Wo bin ich, wo ist meine königliche Kopfbedeckung, und wo hat man die Abzeichen meiner Macht versteckt? Ganz nackt bin ich dem Frost ausgesetzt, mein Schädel ist voll Wespen, und meine Glieder sind schwer wie Blei, als hätte mich eine Giftschlange gebissen. Hüte dich, Sinuhe, mich zum Narren zu halten! Mit Königen ist nicht zu spaßen.«
    Ich wollte ihn für seine Vermessenheit vom Tag zuvor bestrafen. Deshalb stellte ich mich unwissend und sagte: »Ich verstehe nicht, wovon du redest, Kaptah. Du bist sicher noch vom Wein benebelt und entsinnst dich nicht, daß du dich gestern bei der Abreise aus Babylon betrankst und hier im Boote zu lärmen und irrezureden begannst, so daß dich die Ruderer in diese Urne einsperren mußten, damit du ihnen keinen Schaden zufügen könntest. Du sprachst von Königen und Richtern und faseltest noch eine Menge anderes Zeug.«
    Kaptah schloß die Augen, grübelte eine Weile und meinte schließlich: »Herr, nie mehr im Leben will ich Wein trinken! Der Wein und der Traum haben mich in so fürchterliche Abenteuer gestürzt, daß ich sie dir nicht schildern kann. Nur so viel kann ich dir sagen, daß ich glaubte, ein König von des Skarabäus’ Gnaden zu sein, vom königlichen Thron Rechtsprechung übte und schließlich auch das Frauenhaus des Herrschers betrat und dort mit einem schönen Mädchen Wollust trieb. Noch vieles andere geschah mir, woran ich mich nicht klar zu erinnern vermag; denn mein Kopf ist schwerkrank, und du würdest mir eine Gnade erweisen, Herr, wenn du mir von der Arznei gäbest, welche die Weintrinker in dem verfluchten Babylon am Tag nach einem Zechgelage einzunehmen pflegen.«
    Kaum hatte Kaptah dies geäußert, als er Minea entdeckte. Eilends zog er sich wieder in die Urne zurück und sagte mit kläglicher Stimme: »Herr, ich bin sicherlich nicht gesund oder träume immer noch; denn ich vermeine dort hinten im Boot das Mädchen zu sehen, dem ich in meinem Traum im königlichen Frauenhaus begegnete. Der Skarabäus schütze mich; denn ich befürchte, den Verstand zu verlieren!« Er befühlte sein blaues Auge und seine geschwollene Nase und brach in lautes Jammern aus. Minea aber ging zu dem Krug und zog seinen Kopf an den Haaren heraus, indem sie sagte: »Sieh mich an! Bin ich etwa das Weib, mit dem du letzte Nacht Fleischeslust getrieben?« Ängstlich betrachtete Kaptah sie, schloß dann das Auge und wimmerte: »Mögen alle Götter Ägyptens mir gnädig sein und verzeihen, daß ich fremde Götter angerufen und ihnen geopfert habe! Du bist es wirklich; doch mußt du mir vergeben, denn es geschah bloß im Traum.« Da zog Minea einen Pantoffel aus und versetzte ihm damit auf jede Wange einen schallenden Klaps und sagte: »Das sei deine Strafe für den unpassenden Traum, damit du wissest, daß du jetzt erwacht bist.« Kaptah aber stöhnte noch lauter als zuvor: »Ich weiß wahrhaftig nicht mehr, ob ich noch schlafe oder wach bin; denn genau dasselbe ereignete sich in meinem Traum bei der Begegnung mit diesem furchtbaren Geschöpf im Frauenhaus des Königs.«
    Ich half ihm aus dem Krug und verabreichte ihm einen bitteren Trank zum Ausspülen des Magens; dann schlang ich ein Seil um ihn und tauchte ihn trotz seines Protestgeschreis ins Wasser, wo ich ihn eine Weile schwimmen ließ, damit er sich von seinem Wein- und Mohnsaftrausch erhole. Als ich ihn wieder aus dem Wasser zog, erbarmte ich mich seiner und sagte: »Dies sei dir eine Lehre für deine Aufsässigkeit gegen mich, deinen Herrn. Aber wisse auch, daß sich alles in Wirklichkeit

Weitere Kostenlose Bücher