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Sinuhe der Ägypter

Sinuhe der Ägypter

Titel: Sinuhe der Ägypter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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es im Hafen Tempel zu Ehren fremder Götter, so daß du dort dem Ammon oder dem Baal Opfer bringen kannst, falls du Lust dazu hast. Aber ich will dich nicht irreführen. Deshalb gebe ich zu, daß die Macht Kretas von dem Gott abhängt, der von jeher im geheimen verehrt worden ist. Ihn kennen nur die Geweihten, und auch sie lernen ihn erst bei der Begegnung mit ihm kennen; aber noch ist keiner derselben zurückgekehrt, um von ihm zu berichten.«
    »Die Götter der Hetiter sind der Himmel und die Erdmutter und der vom Himmel fallende Regen, der die Erde befruchtet«, sagte ich. »Soviel ich verstehe, ist der Gott Kretas das Meer, da Kretas Macht und Reichtum vom Meer abhängen.«
    »Vielleicht hast du recht, Sinuhe«, sagte er mit einem merkwürdigen Lächeln. »Wisse jedoch, daß wir Kreter einen lebendigen Gott anbeten und uns darin von den Völkern des Festlandes unterscheiden, welche nur tote Götter und hölzerne Bildnisse anbeten. Unser Gott ist kein Bild, obgleich die Stiere als seine Sinnbilder gelten; solange unser Gott lebt, währt auch Kretas Macht auf dem Meer. So ist es prophezeit, und wir sind dessen gewiß, obwohl wir uns auch nicht wenig auf unsere Kriegsschiffe verlassen, mit denen sich die Flotte keines anderen seefahrenden Volkes messen kann.«
    »Ich habe gehört, daß euer Gott in den Irrgängen eines dunklen Hauses wohnt«, fuhr ich halsstarrig fort. »Ich möchte gerne das Labyrinth sehen, von dem ich so viel vernommen habe. Ich verstehe nicht, warum die Geweihten niemals von dort zurückkehren, obwohl es ihnen gestattet ist, nach einem Mondumlauf das Haus des Gottes zu verlassen.«
    »Die größte Ehre und das wunderbarste Glück, die einem Jüngling oder Mädchen Kretas widerfahren können, bestehen darin, das Haus des Gottes betreten zu dürfen«, betonte Minotaurus und wiederholte damit nur, was ich bereits unzählige Male gehört hatte. »Deshalb wetteifern denn auch die Meerinseln, ihre schönsten Jungfrauen und besten Jünglinge zum Tanz vor den Stieren herzusenden, damit sie sich an der Auslosung beteiligen dürfen. Ich weiß nicht, ob du die Sagen von den Sälen des Meergottes kennst, wo das Leben so verschieden vom irdischen Dasein ist, daß keiner, der sie betreten, wieder zur Erde mit all ihrer Not und Qual zurückkehren will. Oder fürchtest du, Minea, dich etwa, das Haus des Gottes zu betreten?«
    Als nun Minea keine Antwort gab, sagte ich: »Am Strand von Simyra habe ich die Leichen ertrunkener Seeleute gesehen; ihre Gesichter waren geschwollen und ihre Bäuche aufgebläht, und in ihren Zügen war keine Freude zu lesen. Das ist alles, was ich über die Säle des Meergottes weiß. Aber ich bezweifle deine Worte keineswegs und wünsche Minea alles Gute.« Minotaurus meinte kühl: »Du wirst das Labyrinth schon zu sehen bekommen; es dauert nicht mehr viele Tage bis zum nächsten Vollmond, und in jener Nacht wird Minea das Haus des Gottes betreten.«
    »Und wenn Minea sich weigern sollte?« fragte ich heftig; denn seine Worte erregten mich und ließen mein Herz in Hoffnungslosigkeit erstarrten.
    »Das ist noch nie vorgekommen«, erklärte Minotaurus. »Du kannst sicher sein, Sinuhe, Ägypter, daß Minea nach dem Tanz vor unseren Stieren das Haus der Götter aus freiem Willen betreten wird.« Er setzte den goldenen Stierkopf wieder auf, zum Zeichen, daß wir uns entfernen sollten, und wir sahen sein Gesicht nicht mehr. Minea nahm mich bei der Hand und führte mich hinaus. Fortan hatte ihr Frohsinn sie verlassen.

    3

    Bei meiner Rückkehr in die Herberge fand ich Kaptah, der in den Hafenschenken reichlich Wein genossen hatte. Er wandte sich an mich: »Herr, für einen Diener ist dies das Land des Westens! Keiner schlägt hier seinen Diener mit Stöcken, und keiner entsinnt sich, wieviel Gold er in seiner Börse hatte, noch was für Schmuck er gekauft. Wahrlich, Herr, für einen Diener ist dies ein irdisches Land des Westens; denn wenn ein Herr seinem Diener zürnt und ihm befiehlt, sein Haus zu verlassen, was die schwerste Strafe bedeutet, so braucht sich dieser nur zu verstecken, um am folgenden Tag wiederzukehren; bis dahin hat der Herr bereits alles vergessen. Für die Seeleute und die Sklaven des Hafens aber ist es ein böses Land: die geizigen Verwalter bedienen sich scharfer Stöcke, und die Kaufleute betrügen einen Mann aus Simyra ebenso leicht, wie ein Mann aus Simyra einen Ägypter betrügt. Aber in Lehmkrügen haben sie kleine in Öl eingemachte Fische, die zum Wein

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