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Sinuhe der Ägypter

Sinuhe der Ägypter

Titel: Sinuhe der Ägypter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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vortrefflich schmecken. Dem Wohlgeschmack dieser Fische zuliebe verzeihe ich ihnen manches.«
    Das alles äußerte er auf seine gewohnte Art, als wäre er betrunken; alsdann aber schloß er die Tür, und nachdem er sich vergewissert, daß uns niemand belauschte, sagte er: »Herr, seltsame Dinge geschehen in diesem Lande! In den Weinstuben behaupten die Seeleute, daß der Gott Kretas gestorben sei und die verängstigten Priester einen neuen Gott suchen. Doch diese Reden sind gefährlich, und bereits sind dafür Seeleute von den Klippen ins Meer gestürzt worden, den Tintenfischen zum Fraß. Es ist nämlich prophezeit, daß Kretas Macht mit dem Tod des Gottes gebrochen werde.«
    Da erwachte eine wahnwitzige Hoffnung in meinem Herzen, und ich sagte zu Kaptah: »Beim nächsten Vollmond betritt Minea das Haus des Gottes. Wenn ihr Gott jedoch wirklich tot sein sollte – was nicht ausgeschlossen ist, denn das Volk weiß schließlich alles, auch das, was man ihm zu verheimlichen trachtet –, dann kehrte Minea vielleicht aus seinem Haus, aus dem es bis jetzt keine Rückkehr mehr gab, zurück!«
    Am Tag darauf erhielt ich unter Hinweis auf Mineas Nummer einen guten Platz im Zuschauerring der großen Stierarena, deren Steinbänke treppenartig aufgebaut waren, so daß jede Bank die vorhergehende überragte und die Stiere von jedem Platz aus leicht sichtbar waren. Ich bewunderte und bestaunte diese weise Anordnung. Ich hatte noch nirgends etwas Ähnliches gesehen; denn in Ägypten werden eigens für den Festzug und die Vorstellungen der Götter hohe Schaugerüste aufgeführt, damit ein jeder den Gott, die Priester und die Tänzer sehen kann.
    Die Stiere wurden nun hintereinander in die Arena gelassen, und die Tänzer führten der Reihe nach ihre anstrengenden Tänze durch, zu denen vielerlei verschiedenartige Kunststücke gehörten, die alle fehlerlos und in bestimmter Reihenfolge vorzuführen waren. Am schwierigsten waren der Aufschwung zwischen den Hörnern des Stieres, der darauffolgende Luftsprung und das Radschlagen, nach welchem der Tänzer stehend auf dem Rücken des Stieres landen sollte. Nicht einmal der Geschickteste vermochte das alles tadellos durchzuführen, weil es nicht von ihm allein, sondern ebensosehr von dem Stier und seinen Bewegungen abhing. Die vornehmen und reichen Kreter gingen vor jeder Nummer untereinander Wetten ein, und jeder setzte auf seinen Favoriten. Nachdem ich aber einige Programmnummern gesehen, konnte ich ihren grenzenlosen Eifer nicht mehr verstehen; denn die Stiere langweilten mich, und ich fand das Ganze so eintönig, daß ich einen Auftritt nicht vom anderen zu unterscheiden vermochte. Auch Minea tanzte vor den Stieren, und ich zitterte für ihr Leben, bis mich ihre wunderbare Gewandtheit und Geschmeidigkeit so bezauberten, daß ich nicht länger an die Gefahr, der sie sich aussetzte, dachte, sondern mit den anderen jubelte. Hier tanzten Mädchen und Jünglinge nackt vor den Stieren; denn ihre Kunst war so verräterisch, daß selbst das geringste Kleidungsstück ihre Bewegungen hätte hindern und ihr Leben in Gefahr bringen können. Minea mit ihrem von Öl glänzenden Leib schien mir die schönste von allen Tänzerinnen, obwohl ich zugeben mußte, daß es auch unter den übrigen sehr schöne Mädchen gab, die sich großen Beifalls erfreuten. Ich aber hatte nur Augen für Minea. Nach der langen Abwesenheit war sie ungeübt und eroberte denn auch keinen einzigen Kranz. Ihr alter Gönner, der auf sie gesetzt hatte, war sehr ungehalten und erbittert darüber, bis er schließlich sein verlorenes Silber vergaß und sich in die Stallungen hinüber begab, um sich neue Stiere und Nummern auszusuchen, wozu er als Gönner Mineas berechtigt war.
    Als ich Minea nach der Vorstellung im Haus der Stiere traf, blickte sie sich um und sagte kalt: »Sinuhe, ich kann mich dir nicht mehr widmen. Meine Freunde haben mich zu ihrem Gastmahl eingeladen. Ich muß mich auch für den Gott bereitmachen; denn schon übermorgen nacht ist Vollmond. Deshalb werden wir uns vermutlich nicht mehr sehen, bis ich das Haus des Gottes betrete, falls du dann Lust hast, mir mit meinen übrigen Freunden des Geleit dorthin zu geben.«
    »Dein Wille geschehe«, sagte ich. »Zweifellos gibt es auf Kreta viel zu sehen, und die Sitten dieses Landes wie auch die Kleidung der Frauen ergötzen mich sehr. Als ich an dem mit deiner Nummer versehenen Platz saß, haben mich bereits mehrere deiner Freundinnen zu sich nach Hause eingeladen, und

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