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Sinuhe der Ägypter

Sinuhe der Ägypter

Titel: Sinuhe der Ägypter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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auch weiterhin an deiner Frau ergötzen willst. Wisse, daß dein ungeduldiger Sohn wegen seines ersten Zahnes geweint hat! Wenn du mir nicht glaubst, kannst du dich selbst davon überzeugen.«
    Ich öffnete dem Kind den Mund und zeigte Aziru den Zahn. Er brach in Jubel aus, klatschte in die Hände und tanzte im Zimmer herum, daß der Boden dröhnte. Ich zeigte den Zahn auch Keftiu, und sie behauptete, noch nie ein so schönes Zähnchen in einem Kindermund gesehen zu haben. Als sie den Jungen jedoch wieder in Wolle einwickeln wollte, untersagte ich es ihr und hüllte ihn in ein kühles Leinentuch, damit er sich in der Abendluft nicht erkälte.
    Aziru fuhr mit seinem Stampfen und Tanzen fort, sang mit heiserer Stimme und schämte sich nicht im geringsten, daß er mich für nichts und wieder nichts hatte herschleppen lassen. Er wollte den Zahn seines Sohnes seinen Höflingen und Heerführern zeigen und ließ auch die Wächter von den Mauern zum Bestaunen des Wunders herunterkommen. Alle drängten sich denn auch, mit den Speeren und Schilden rasselnd, mit fassungslos aufgerissenem Mund um die Wiege des Jungen und versuchten, ihm ihre schmutzigen Daumen in den Mund zu stecken, um den Zahn zu fühlen, bis ich sie alle hinausjagte und Aziru ermahnte, seinen Verstand zusammenzunehmen und an seine Würde zu denken.
    Aziru meinte verlegen: »Vielleicht habe ich wirklich die Besinnung verloren und mich unnütz aufgeregt, nachdem ich, das Herz von seinem Jammer erschüttert, nächtelang an seiner Wiege gewacht. Aber du mußt verstehen, daß er mein Sohn und erstes Kind ist, mein Prinz, mein Augapfel, mein Kronjuwel, mein kleiner Löwe, der nach mir die Krone der Amoriter tragen und über viele Völker herrschen soll. Ich will wahrlich mein Land groß machen, damit er etwas zu erben habe und den Namen seines Vaters preise. Sinuhe, Sinuhe, du ahnst nicht, wie dankbar ich dir dafür bin, daß du mich von dieser Sorge befreit hast; denn du wirst zugeben müssen, daß du noch nie einen so prächtigen Jungen gesehen hast, obgleich du durch viele Länder gereist bist. Betrachte nur die schwarze Löwenmähne auf seinem Haupt und sage mir, ob du je an einem Jungen dieses Alters einen solchen Haarschmuck gesehen! Du hast selbst festgestellt, daß sein Zahn glänzend und makellos wie eine Perle ist. Schau dir auch seine Glieder und sein Bäuchlein an, das rund wie ein Tönnlein ist!«
    Ich hatte sein Geschwätz so satt, daß ich ihn bat, mitsamt seinem Sohn in die Schlünde der Unterwelt zu fahren, und erklärte, daß ich mich von der fürchterlichen Fahrt immer noch wie gerädert fühle und nicht wisse, ob ich auf dem Kopf oder auf den Füßen stehe. Er aber beschwichtigte mich, legte mir den Arm um die Schultern, bot mir vielerlei Gerichte, Schafsbraten und in Fett gekochte Graupen auf silbernen Schüsseln und Wein aus einem goldenen Becher an, so daß ich mich daran erquickte und ihm verzieh.
    Ich blieb mehrere Tage bei ihm zu Gast, und er spendete mir reiche Gaben, sogar Gold und Silber; denn seit unserer letzten Begegnung war er reich geworden. Auf welche Art sich aber sein armes Land bereichert hatte, wollte er nicht gestehen, sondern lächelte nur hinter seinem Krausbart und erklärte, die Frau, die ich ihm geschenkt, habe ihm Glück gebracht. Auch Keftiu war freundlich zu mir und behandelte mich mit hoher Achtung, sicherlich in Erinnerung an den Stock, mit dem ich oft die Zähigkeit ihrer Haut erprobt hatte, und folgte mir wackelnd und klirrend in ihrer Üppigkeit und Pracht und betrachtete mich liebevoll. Ihre weiße Haut und ihre Beleibtheit hatten auch alle Heerführer Azirus geblendet; denn im Gegensatz zu den Ägyptern lieben die Syrier dicke Frauen, wie ihre Sitten auch sonst in jeder Hinsicht von denen der Ägypter abweichen. Deshalb hatten die Dichter Gesänge zu ihren Ehren verfaßt, die sie in langgezogenen Tönen und unter steter Wiederholung derselben Worte vortrugen, und auch die Wächter auf den Mauern sangen ihr Lob, weshalb Aziru riesig stolz auf sie war. Er liebte sie so glühend, daß er seine anderen Frauen nur äußerst selten besuchte – und auch dann bloß aus Höflichkeit, weil sie die Töchter seiner Häuptlinge waren, die er geehelicht, um alle Stammesfürsten an sein Königreich zu binden.
    Ich hatte so viele Länder bereist und erforscht, daß er es für angebracht hielt, mit seinem Königreich zu prahlen, und mir daher vieles erzählte, was er vielleicht später bereute. So erfuhr ich unter anderem

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