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Sinuhe der Ägypter

Sinuhe der Ägypter

Titel: Sinuhe der Ägypter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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meine Frau geschändet und meine Ochsen, die ich nie besessen, gestohlen, daß du Zauberei getrieben und andere verwerfliche Untaten vollbracht hast – bis du mit dem Kopf nach unten an die Mauern gehängt werden wirst, worauf ich dein Haus plündern und dein Gold rauben werde, um mir hundert mal hundert Krüge Wein zu kaufen und in deinem Gedenken zu leeren.«
    Sein Lachen widerhallte in den Sälen des Palastes, und die Zähne schimmerten golden durch seinen gekräuselten Bart. Später, als die bösen Tage kamen, entsann ich mich oft, wie er in jenem Augenblick ausgesehen. Aber wir schieden als Freunde; er gab mir eine Sänfte und eine Menge Geschenke, und seine Krieger geleiteten mich nach Simyra, damit mir unterwegs nichts zustoßen sollte, weil ich doch ein Ägypter war.
    Beim Stadttor von Simyra flog eine Schwalbe wie ein Pfeil an meinem Haupt vorbei, mein Sinn ward von Unruhe befallen, und die Straße brannte mir unter den Füßen. Zu Hause angelangt, sprach ich zu Kapath: »Sammle unser Hab und Gut und verkaufe dieses Haus! Wir segeln heim nach Ägypten.«

    3

    Es ist nicht nötig, viel über die Heimreise nach Ägypten zu berichten; denn die Erinnerung daran ist wie ein Schatten oder ein unruhiger Traum in meinem Innern. Denn als ich mich endlich an Bord des Schiffes auf der Rückreise nach dem schwarzen Lande befand, um Theben, die Stadt meiner Kindheit, wiederzusehen, befiel eine grenzenlose Sehnsucht meine Seele mit solcher Macht, daß ich weder stehen noch sitzen noch liegen konnte, sondern ruhelos auf dem engen Deck zwischen Teppichrollen und Warenballen herumirrte, den Geruch Syriens immer noch in der Nase und mit jedem Tag ungeduldiger das Verschwinden der bergigen Küste und das Auftauchen des vom Schilf grünleuchtenden Tieflandes erwartend. Während das Schiff tagelang an den Landestellen der Küstenstädte lag, besaß ich nicht mehr die nötige Ruhe, um diese auszuforschen oder Angaben zu sammeln; das Geschrei der Esel am Strand vermischte sich mit den Rufen der Fischverkäufer und dem Gesumme fremder Sprachen zu einem Brausen, das sich in meinen Ohren nicht von demjenigen des Meeres unterschied.
    Der Frühling erwachte wieder in den Tälern Syriens, an der Seeseite leuchteten die Berge rot wie Wein, der Lenz färbte abends die. schäumenden Wasser am Meeresufer blaßgrün, die Priester des Baal lärmten und riefen laut in den engen Gassen und schürften sich mit Steinmessern das Gesicht, so daß das Blut darüberströmte, mit brennenden Augen und zerzausten Haaren folgten ihnen die Weiber, die ihre Holzkarren vor sich hinschoben. Aber all das hatte ich schon oft zuvor gesehen, und die fremdartigen Sitten und rohen Aufwallungen waren mir zuwider, da meine Augen bereits einen Schimmer der Heimat zu sehen glaubten. Ich hatte mein Herz erstarrt gewähnt und geglaubt, mich bereits an alle Sitten und Lehren angepaßt zu haben und Menschen aller Hautfarben zu verstehen, ohne jemand zu verachten, mit dem bloßen Ziel, Kenntnisse zu sammeln; das Bewußtsein jedoch, mich auf dem Rückweg in das schwarze Land zu befinden, brachte wie eine heiße Flamme die Erstarrung meines Herzens zum Schmelzen. Wie fremde Kleider legte ich die fremden Gedanken ab und wurde in meinem Herzen wiederum ein Ägypter. Ich sehnte mich nach dem Geruch gebratener Fische in den abendlichen Gassen Thebens, wenn die Frauen ihre Kochfeuer vor den Lehmhütten anzünden; ich sehnte mich nach dem Geschmack ägyptischen Weins im Mund, sehnte mich nach dem Wasser des Nils, das nach fruchtbarem Schlamm schmeckt. Ich sehnte mich nach dem Rauschen der Papyrusstauden im Abendwind, nach dem Lotoskelch, der sich am Flußufer öffnet, nach den bunten Säulen mit ihren ewigen Bildern, nach der Bildschrift der Tempel und nach dem Duft des heiligen Weihrauchs in den steinernen Gewölben: so töricht war mein Herz.
    Ich kehrte nach Hause zurück, obwohl ich kein Heim besaß, sondern ein Fremdling auf Erden war. Ich kehrte heim, und die Erinnerung tat nicht länger weh, sondern die Zeit und die Kenntnisse hatten sich wie Sand über ihre Bitterkeit gelagert. Ich fühlte keinen Kummer und auch keine Schande mehr; nur eine ruhelose Sehnsucht nagte mir am Herzen.
    Hinter uns verschwand das reiche, fruchtbare Syrien, wo Haß und Streit herrschten. Unser Schiff steuerte an dem roten Gebirge Sinai vorüber, und obgleich es Frühling war, strich uns der trockene Wüstenwind brennend heiß ums Gesicht. Schließlich lag eines Morgens das Meer gelb und das Land

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