Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sinuhe der Ägypter

Sinuhe der Ägypter

Titel: Sinuhe der Ägypter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
Vom Netzwerk:
mit ägyptischem Bier zu befeuchten, prahlerisch aufzutreten und die seltsamsten Lügen über seine Reisen und meine Kunst zu erzählen, welche die Hafenarbeiter lachend und spottend und unter Anrufung der Götter anhörten.
    Schließlich erblickte ich wieder am östlichen Himmel die drei Berggipfel, die drei ewigen Wächter Thebens. Die Gegend erschien immer dichter bebaut und bevölkert, armselige Dörfer mit Lehmhütten wechselten mit reichen Stadtteilen ab, bis schließlich die Mauern berghoch emporragten und Dach und Säulen des großen Tempels, die unzähligen Bauten auf dessen Gebiet und der heilige See sichtbar wurden. Im Westen breitete sich die Totenstadt bis zu den Bergen aus, hoben sich die Totentempel der Pharaonen weiß von den gelben Bergen ab und trugen die Säulenreihen im Tempel der großen Königin immer noch ein Meer von Blütenbäumen. Jenseits der Berge lag das Verbotene Tal mit seinen Schlangen und Skorpionen, in dessen Sande beim Grabtor des großen Pharao die in eine Ochsenhaut eingenähten vertrockneten Leichen meines Vaters Senmut und meiner Mutter Kipa für die Ewigkeit erhalten ruhten. Weiter südwärts am Nilufer aber hob sich das goldene Haus des Pharao, luftig und blauschimmernd inmitten seiner Mauern und Gärten, und ich fragte mich, ob wohl mein Freund Haremhab dort wohne.
    Das Schiff legte an einer mir wohlbekannten steinernen Uferstelle an. Alles war wie einst, und ich war nur wenige Straßenecken von dem Platz entfernt, wo ich, nicht ahnend, daß ich einst als Erwachsener das Leben meiner Eltern zerstören würde, meine Kindheit verbracht hatte. Beim Gedanken daran begann der Sand der Zeit, der sich inzwischen auf die bitteren Erinnerungen gehäuft hatte, sich wieder zu bewegen. Ich hätte mich am liebsten versteckt und mein Gesicht verhüllt; ich empfand keine Freude, obgleich mir der Lärm des Großstadthafens entgegenschlug und ich in den Augen der Menschen, in ihrer Hast und ihrem ruhelosen Gebaren, den heißen Pulsschlag Thebens wiedererkannte. Ich hatte keinerlei Pläne für mein zukünftiges Leben gemacht, sondern beschlossen, alles von meinem Zusammentreffen mit Haremhab und seiner Stellung am Hof abhängig zu machen. Doch im selben Augenblick, da meine Füße den Kai betraten, stand ein Plan fertig in meinem Gehirn und hatte im Gegensatz zu meinen früheren Träumen nichts mit ärztlichem Ruhm, Reichtum und kostbaren Geschenken als Lohn für alle Kenntnisse, die ich gesammelt, zu tun, sondern versprach ein einfaches Leben ohne Ruhm, im Dienste mittelloser und armer Patienten. Als ich so wie in einer Offenbarung meine Zukunft vor mir sah, fühlte ich eine tiefe Ruhe meinen Sinn erfüllen, was wiederum ein Beweis dafür war, wie wenig ein Mensch sein eigenes Herz kennt, obgleich ich das meinige bis auf den Grund zu kennen geglaubt. Nie zuvor hatte ich etwas Ähnliches gedacht; es war wahrscheinlich unbewußt als Frucht all meiner Erfahrungen gereift. Als ich das Brausen Thebens rings um mich herum vernahm und meine Füße die vom Sonnenschein erhitzten Steinplatten des Kais betraten, glaubte ich, wieder ein Kind zu sein und mit ernsten, fragenden Augen meinem Vater Senmut zuzuschauen, wie er die Kranken in seinem Empfangszimmer behandelte. Deshalb jagte ich die Träger, die sich lärmend und untereinander streitend um mich drängten, fort und sagte zu Kaptah:
    »Laß unsere Sachen einstweilen an Bord, und geh mir rasch ein Haus kaufen, ganz gleich was für eines! Nur muß es. in der Nähe des Hafens im Armenviertel gelegen sein, unweit des Platzes, an dem einst mein Vaterhaus stand, bevor es abgerissen wurde. Beeile dich, damit ich schon heute einziehen und morgen mit Ausübung meines Berufes beginnen kann!«
    Kaptah ließ den Kiefer hängen, und sein Gesicht nahm einen völlig leeren Ausdruck an; denn er hatte sich vorgestellt, daß wir anfänglich in der besten Herberge einkehren und uns von Sklaven bedienen lassen würden. Zum erstenmal jedoch widersprach er mir mit keinem Wort, sondern schloß nach einem Blick auf mein Gesicht den Mund und ging mit gebeugtem Kopf seines Weges. Am gleichen Abend bezog ich im Armenviertel das frühere Haus eines Kupferschmieds, meine Sachen wurden vom Schiff dorthingebracht, und ich breitete meinen Teppich auf dem Lehmboden aus. Vor den Hütten in den Armengassen brannten die Kochfeuer wie einst; der Geruch der in Fett gebratenen Fische verbreitete sich in dem ganzen schmutzigen, siechen Elendsviertel, bis die Lampen über den Türen der

Weitere Kostenlose Bücher