Sinuhe der Ägypter
Freudenhäuser angezündet wurden und die schrille syrische Musik in den Schenken anhub, sich mit dem Gegröl der betrunkenen Seeleute vermischte und der Himmel über Theben vom Widerschein der unzähligen Lichter aus der Innenstadt rötlich angehaucht ward. Ich war wieder zu Hause! Nach langen Irrfahrten auf der Flucht vor mir selbst und auf der Suche nach Kenntnissen in vielen Ländern befand ich mich wieder daheim.
4
Am folgenden Morgen sprach ich zu Kaptah: »Verschaff mir ein Arztschild für meine Tür! Aber ein schlichtes ohne Malereien und Verzierungen! Und wenn jemand nach mir fragt, so sprich nicht von meinem Ruhm und meinen Kenntnissen, sondern sage bloß, der Arzt Sinuhe empfange Patienten, auch arme, und verlange nur Geschenke, die dem Vermögen eines jeden entsprechen.«
»Auch Arme?« fragte Kaptah, aufrichtig entsetzt. »O Herr, du bist doch nicht etwa krank? Du hast doch nicht Sumpfwasser getrunken, oder bist du von einem Skorpion gestochen worden?«
»Tu, was ich dir befehle, wenn du bei mir bleiben willst!« entgegnete ich. »Falls dieses einfache Haus dir aber nicht zusagt und der Armengeruch deine in Syrien verwöhnte Nase beleidigt, so hast du volle Freiheit zu tun, was dir beliebt. Ich nehme an, du hast mir genug gestohlen, um dir ein eigenes Haus kaufen und eine Frau nehmen zu können, falls du Lust dazu hast. Ich werde dich jedenfalls nicht daran hindern.«
»Eine Frau?« meinte Kaptah noch entsetzter als zuvor. »Wahrlich, Herr, du bist krank und fieberst. Weshalb sollte ich mir eine Frau nehmen, die mich unterdrücken, bei meiner Rückkehr aus der Stadt meinen Atem prüfen und am Morgen, wenn ich mit Kopfschmerzen erwache, neben meinem Bette stehen würde, den Stock in der Hand und das Maul voll böser Worte? Wahrlich, weshalb sollte ich mir eine Frau nehmen, da doch das einfachste Sklavenmädchen den gleichen Dienst verrichten kann? Aber darüber habe ich bereits mit dir gesprochen. Zweifellos haben dich die Götter mit Wahnsinn geschlagen, worüber ich nicht staune, da ich weiß, wie du über die Götter denkst. Aber du bist mein Herr, dein Weg ist mein Weg, und deine Strafe meine Strafe, obwohl ich hoffe, endlich zu Ruhe und Frieden zu gelangen nach all den fürchterlichen Mühsalen, die du mir auferlegt; von den Seefahrten, die ich am liebsten vergessen will, gar nicht zu sprechen! Wenn dir eine Binsenmatte als Ruhelager genügt, wird sie auch mir genügen müssen. Das Elend hier hat wenigstens eine gute Seite, und zwar die, daß sämtliche Bierstuben und Freudenhäuser erreichbar liegen und die Schenke ›Zum Krokodilschwanz‹, von der ich dir einst erzählt habe, auch nicht weit entfernt ist. Ich hoffe, du verzeihst mir, wenn ich mich heute noch dorthin begebe, um mich ordentlich zu betrinken; denn all das hat mich schwer erschüttert, und ich muß mich irgendwie davon erholen. Zwar ahne ich jedesmal, wenn ich dich ansehe, etwas Schlimmes. Ich weiß nie im voraus, was du sagen oder tun wirst, weil es stets das Gegenteil von dem ist, was ein vernünftiger Mensch sagt und tut; aber das hätte ich doch nicht von dir erwartet! Nur ein Verrückter steckt einen Edelstein in einen Misthaufen, du aber begräbst auf diese Art deine Kunst und dein Wissen.«
»Kaptah«, sagte ich, »jeder Mensch wird nackt zur Welt gebracht, und in der Krankheit gibt es keinen Unterschied zwischen arm und reich, zwischen Ägypter und Syrier.«
»Mag sein, aber zwischen den Geschenken, die sie ihrem Arzte machen, ist ein großer Unterschied«, erklärte Kaptah überklug. »Dein Gedanke ist zwar schön, und ich hätte nichts dagegen, wenn ein anderer ihn verwirklichte – aber nicht gerade du, da wir nun endlich nach allen ausgestandenen Mühen auf einen grünen Zweig gekommen wären. Deine Anschauung paßt eher zu einem Menschen, der zum Sklaven geboren wurde, und ist als solche begreiflich; denn in jungen Jahren dachte ich selbst ähnlich, bis der Stock mich eines Besseren belehrte.«
»Damit du alles weißt«, fügte ich noch hinzu, »will ich dir anvertrauen, daß ich, falls ich ein verlassenes Kind finde, die Absicht hege, es als mein eigenes anzunehmen und als meinen Sohn zu erziehen.«
»Wozu sollte das gut sein?« fragte Kaptah verblüfft. »Im Tempel gibt es ja ein Haus für verlassene Kinder! Einige von ihnen werden zu niederen Preisen erzogen, während man aus anderen Eunuchen macht, die in den Freudenhäusern des Pharao oder der Vornehmen wohnen und ein glänzenderes Leben führen dürfen,
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