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Sinuhe der Ägypter

Sinuhe der Ägypter

Titel: Sinuhe der Ägypter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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dahinter wie ein schmaler grüner Streifen vor uns, die Seeleute senkten an einem Lederriemen einen Lehmkrug in die Tiefe, um Wasser zu schöpfen, und es war nicht mehr salzig, sondern stammte aus dem ewigen Nil und schmeckte nach Ägyptens Schlamm. Kein Wein hat mir je so süß gemundet wie dieses fern von der Küste aus dem Meer geschöpfte schlammige Wasser. Kaptah aber meinte: »Wasser ist und bleibt Wasser, selbst wenn es aus dem Nil stammt. Warte, Herr, bis wir in eine ordentliche Schenke kommen, wo das Bier schäumend und so klar ist, daß man es nicht durch ein Rohr trinken muß, um es von den Getreidekörnern zu sondern. Erst dann werde ich fühlen, daß ich wieder zu Hause in Ägypten bin.«
    Seine gottlose und hämische Rede verletzte mich in diesem Augenblick so, daß ich sagte: »Ein Sklave bleibt ein Sklave, selbst wenn er kostbare Wollgewänder trägt. Warte, Kaptah, bis ich einen geschmeidigen Rohrstock finde, wie man ihn nur im Röhricht des Nils schneiden kann! Dann sollst du wahrhaftig zu spüren bekommen, daß du wieder daheim bist.«
    Aber Kaptah fühlte sich keineswegs verletzt, sondern seine Augen füllten sich mit Tränen der Rührung, sein Kinn begann zu zittern, er verneigte sich vor mir streckte die Hände in Kniehöhe nach vorn und sagte: »Wahrlich, Herr, du besitzest eine unglaubliche Fähigkeit, das richtige Wort im richtigen Augenblick zu finden! Ich hatte bereits vergessen, welch herrliches Gefühl es ist, mit einem dünnen Rohrstock am Hinterteil und an den Beinen liebkost zu werden. O Sinuhe, mein Herr, es ist ein Erlebnis, und ich wünschte nur, auch du könntest dessen teilhaftig werden. Besser als Wasser und Bier, besser als Tempelweihrauch und Enten im Schilf kennzeichnet es das Leben in Ägypten, wo jeder an seinen rechten Platz gestellt wird und nichts sich im Lauf der Zeiten verändert, sondern alles sich gleichbleibt. Wundere dich daher nicht, daß ich vor Rührung weine; denn erst jetzt fühle ich, daß ich heimkehre, nachdem ich viel Fremdartiges, Unbegreifliches und Verachtenswertes gesehen. O gesegneter Rohrstock, der du einem jeden seinen rechten Platz anweist und alle Aufgaben lösest, du hast nicht deinesgleichen!«
    Er weinte eine Zeitlang vor Rührung und ging danach den Skarabäus salben; aber ich bemerkte, daß er nicht mehr so kostbares Öl wie früher dafür verwendete, weil wir uns der Küste näherten und er offenbar glaubte, sich in Ägypten mit seiner eigenen Schlauheit behelfen zu können.
    Erst als wir in dem großen Hafen des Unteren Landes anlegten, ging es mir auf, wie grenzenlos satt ich die bunten weiten Kleider, die gekräuselten Barte und beleibten Gestalten hatte. Die schmalen Hüften der Träger, ihre Lendentücher, ihr rasiertes Kinn, ihre Mundart, welche diejenige des Unteren Reiches war, der Geruch ihres Schweißes, des Schlammes, des Schilfs und des Hafens: alles war anders als in Syrien, alles war mir vertraut, und die syrischen Kleider, die ich noch trug, begannen mich so sehr zu beengen, daß meine Brust nicht mehr darin zu atmen vermochte. Nachdem ich mit den Schreibern des Hafens zu Ende gekommen und meinen Namen auf viele Papiere geschrieben, beeilte ich mich, mir neue Gewänder zu kaufen. Nach all der Wolle fühlte sich auf der Haut das dünne Linnen herrlich an. Kaptah aber beschloß, auch weiterhin als Syrer aufzutreten; denn er fürchtete, sein Name könnte immer noch im Verzeichnis der entlaufenen Sklaven stehen, obgleich er sich bei den Behörden in Simyra eine Lehmtafel verschafft hatte, die bezeugte, daß er als Sklave in Simyra geboren und von mir rechtlich gekauft worden war.
    Alsdann gingen wir mit unseren Sachen an Bord eines Flußfahrzeuges, um stromaufwärts zu fahren. Die Tage verstrichen, während wir so dahinfuhren und uns wieder an Ägypten gewöhnten; die Äcker trockneten an beiden Flußufern, träge Ochsen zogen Holzpflüge, die Landleute schritten dahinter gesenkten Hauptes in den Furchen und säten in den weichen Schlamm. Die Schwalben schossen über dem Schiff und dem träge rinnenden Wasser mit aufgeregtem Gezwitscher durch die Luft, um bald im Uferbett des Stromes zu verschwinden und sich für die heißeste Zeit des Jahres im Schlamm einzugraben. Die Palmen ragten mit gebeugten Stämmen an den Ufern des Nils, gewaltige Sykomoren beschatteten die niederen Lehmhütten, das Fahrzeug lief kleinere und größere Städte an, und es gab keine Hafenschenke, in die nicht Kaptah als erster gelaufen wäre, um seine Kehle

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