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Sinuhe der Ägypter

Sinuhe der Ägypter

Titel: Sinuhe der Ägypter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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als Herr mit meinem Diener eine elende Hafenschenke besuchte, um einen Trank zu genießen, der seiner Stärke wegen »Krokodilschwanz« genannt wurde, so entsann ich mich doch, daß Kaptah einst freiwillig mit mir durch ein Tor geschritten ist und dabei wußte, daß durch dieses Tor noch niemand lebend zurückgekommen war. Deshalb legte ich ihm die Hand auf die Schulter und sagte: »Mein Herz sagt mir, daß ein ›Krokodilschwanz‹ den gebührenden Abschluß dieses Tages bilden wird. Gehen wir also!«
    Kaptah machte nach echter Sklavenart einen Luftsprung und vergaß dabei die Steifheit seiner Glieder. Er lief nach meinem Stock, den er versteckt hatte, und legte mir das Achseltuch auf die Schultern. So begaben wir uns zum Hafen in die Schenke »Zum Krokodilschwanz«.

    6

    Die Weinstube »Zum Krokodilschwanz« lag zwischen großen Lagerschuppen in einer schattigen Gasse des Hafengebiets. Ihre aus Lehmziegeln aufgeführten Mauern waren außerordentlich dick, so daß die Schenke im Sommer angenehm kühl und im Winter schön warm war. Über der Tür hingen neben einer Weinkanne und einem Bierkrug ein riesiges, getrocknetes Krokodil mit blitzenden Glasaugen und vielen Zahnreihen im aufgesperrten Rachen. Kaptah führte mich voll Eifer hinein, rief nach dem Wirt und suchte uns weiche Sitzgelegenheiten aus. Er schien mit der Umgebung vertraut und bewegte sich wie zu Hause, so daß die anderen Gäste der Schenke, die mich mißtrauisch von der Seite angeschielt hatten, sich beruhigten und ihre Gespräche fortsetzten. Zu meinem Erstaunen sah ich, daß der Boden aus Holz bestand, die Wände getäfelt waren und daran vielerlei Andenken von weiten Reisen wie Negerspeere, Federbüsche, Muschelketten von den Meerinseln und gemalte kretische Gefäße hingen. Kaptah folgte stolz meinen Blicken und sagte:
    »Du wunderst dich sicherlich darüber, daß die Wände des Raumes aus Holz sind wie in den Häusern der Reichen. Wisse daher, daß sämtliche Planken von alten, ausgedienten Schiffen stammen. Obgleich ich nicht gern an Seereisen denke, muß ich hervorheben, daß jene gelbe, vom Meer zerfressene Bohle einst nach Punt gesegelt ist, während die braune hier die Landestellen der Meeresinseln gescheuert hat. Doch wenn du gestattest, wollen wir jetzt einen vom Wirt kredenzten ›Schwanz‹ genießen.«
    Ein schöner, in der Form einer Muschelschale gegossener, auf der Handfläche zu haltender Becher wurde mir gereicht; doch vergaß ich angesichts der Frau, die ihn mir bot, ihn zu betrachten. Sie war nicht mehr so jung, wie die Kellnerinnen der Schenken zu sein pflegen, und kam nicht halbnackt daher, um die Gäste zu reizen, sondern war anständig gekleidet und trug einen silbernen Ohrring sowie an den schmalen Handgelenken silberne Reifen. Sie begegnete meinem Blick, ohne nach Frauenart scheu die Augen abzuwenden. Ihre Augenbrauen waren schmal gerupft, und in ihren Augen mischten sich Lächeln und Kummer. Es waren warme, braune, lebendige Auge, in die zu blicken dem Herzen wohl tat. Aus ihrer Hand empfing ich den Becher auf meiner Handfläche; auch Kaptah erhielt einen, und indem ich ihr immer noch in die Augen sah, fragte ich:
    »Wie ist dein Name, du Schöne?«
    Sie antwortete mit leiser Stimme: »Mein Name ist Merit. Es ist nicht gebräuchlich, mich eine Schöne zu nennen, wie schüchterne Knaben zum Vorwand tun, um zum erstenmal die Lenden einer Kellnerin zu betasten. Ich hoffe, du wirst dich dessen entsinnen. Arzt Sinuhe, der du einsam bist, falls du unser Haus wieder einmal mit deinem Besuch beehren solltest.«
    Ich erzürnte und sprach: »Ich verspüre nicht die geringste Lust, deine Lenden zu betasten, schöne Merit. Aber woher kennst du meinen Namen?«
    Sie lächelte, und das Lächeln stand ihrem braunen, glatten Gesicht gut, als sie schelmisch erklärte: »Dein Ruf ist dir vorangegangen, o Sohn des Wildesels! Wenn ich dich betrachte, weiß ich, daß dieser Ruf nicht gelogen hat.«
    In der Tiefe ihrer Augen spiegelte sich ein ferner Kummer, den mein Herz durch das Lächeln hindurch empfand, weshalb ich ihr nicht länger zürnen konnte, sondern sagte: »Falls du unter meinem Ruf meinen früheren Sklaven Kaptah meinst, den ich heute zu einem freien Mann gemacht habe, so wirst du wohl wissen, daß man seinen Worten keinen Glauben schenken darf. Seine Zunge hat von Geburt an den Fehler, keinen Unterschied zwischen Lüge und Wahrheit machen zu können, sondern beide ebensosehr, ja vielleicht oft sogar die Lüge mehr als die Wahrheit

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